Griechenlands Nationalelf vor der Heimkehr: König Schrotto
Eine Audienz bei Griechenlands Trainer Otto Rehhagel nach einer EM mit drei Niederlagen. Selbstkritik? Euer Majestät: "Jeder kann schreiben, was er will, außerdem kann ich es nicht lesen"
SALZBURG taz Es gibt ja viele unschöne Berufe. Kanalreiniger möchte man nicht sein, Generalsekretär einer Partei auch nicht. Aber den größten Widerwillen erzeugt die Vorstellung, griechischer Fußballjournalist zu sein. Der Deutschhellene Otto Rehhagel hat dafür gesorgt, dass aus dem Lager der Griechen keine Informationen gedrungen sind, nicht mal tröpferlweise. Die griechischen Journalisten haben während der EM über ein Phantom berichtet. Manchmal ist es aufgetaucht und hat den schlechtesten Fußball dieses Championats gespielt. Doch selbst ein Rehhagel kann sich an Spieltagen nicht der Presse entziehen. Er muss auf dem Podium sitzen und Fragen beantworten. Nach dem 1:2 gegen Spaniens B-Elf kommt in Salzburg die letzte Chance. Darauf haben die Schreiber aus Athen und Saloniki nur gewartet.
Aber Vorsicht, nicht zu hart angehen darf man den Otto, seine Durchlaucht aus Deutschland. Einen Mutigen gibt es aber doch: "Herr Rehhagel, weil wir nicht wissen, wann Sie wieder mit uns griechischen Journalisten sprechen, will ich Sie jetzt fragen: Gibt es so etwas wie Selbstkritik bei Ihnen?"
Das ist starker Tobak. Eine Majestätsbeleidigung. Rehhagel lässt sich nichts anmerken.
Er sagt: "Es ist keine Schande, wenn man hier alle Spiele verliert, wir sind ja nicht hergekommen, um im ersten Spiel Schweden mit 2:0 zu besiegen, dann Russland mit 4:0 und Spanien mit 6:0. Wir haben nicht gesagt, dass wir ganz Europa schwindlig spielen."
Der amtierende Europameister hat nicht einen Punkt gegen diese Teams gewonnen. Ein mickriges Tor hat er erzielt. Die Griechen waren so unterlegen, dass den Fans schwindlig geworden ist, vielleicht auch aus Scham.
Nächste Frage aus dem Saal: "Können Sie mit Kritik nicht umgehen?"
"Ach was, Griechenland ist das Land der Demokratie, da kann jeder schreiben und sagen, was er will, außerdem kann ich es gar nicht lesen."
"Haben Sie die falschen Spieler mitgenommen?"
"Wir haben uns für die Leute entschieden, und das war auch richtig so."
Ein Österreicher murmelt neben uns: "So a arroganter Typ."
Doch flugs weiter im Frage-Antwort-Spiel: "Wieso haben Sie so schlecht abgeschnitten?"
"Wir sind keine Mannschaft, die Tore am Fließband schießt. Wir haben versucht, die Möglichkeiten, die der griechische Fußball bietet, auszuschöpfen."
"Werden Sie noch Trainer in der WM-Qualifikation sein?"
"Wir sind jetzt erst ein paar Minuten nach dem Spiel, wir müssen die Sachen sacken lassen und zu uns selbst finden."
"Das ist aber nicht die Antwort auf meine Frage!"
"Sie haben doch gerade gehört, was ich gesagt habe." Hm.
Die Blöcke der griechischen Journalisten sind voll. Sie quellen über vor Zitaten von Otto, dem Deutschhellenen. Das Phantom hat gesprochen. Jetzt kann es sich gern wieder verstecken. Aber richtig.
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