Griechenland: Nationale Gründe
Neuwahlen in Griechenland: Trotz mäßiger Erfolge geht die konservative Regierungspartei ND als Favorit ins Rennen.
BERLIN taz Am 16. September sind die Griechen zu vorgezogenen Wahlen aufgerufen. Der reguläre Wahltermin für das Athener Parlament wäre erst im Frühjahr 2008 gewesen. Doch seit langem häuften sich die Indizien dafür, dass die Regierung der konservativen Nea Dimokratia (ND) unter Ministerpräsident Kostas Karamanlis schon in diesem Herbst ein erneuertes Mandat anstrebt.
Laut Verfassung ist eine vorzeitige Parlamentsauflösung nur möglich, wenn schwerwiegende "nationale Gründe" vorliegen. Dabei hatte der Verfassungsgeber zweifellos innere Notstandssituationen oder eine außenpolitische Krise im Auge. Gemessen daran grenzt die von Karamanlis bemühte Begründung an Verfassungsbruch: Der nationale Haushaltsplan, der bis Anfang Oktober vorzulegen ist, sei in Gefahr, für die geplanten Reformen brauche er eine starke Mehrheit.
Mit solchen Argumenten könnte jede Regierung in jedem Herbst eine Neuwahl inszenieren. Mit der am letzten Freitag erfolgten Zustimmung von Staatschef Karolos Papoulias ist der 16. September jedoch beschlossene Sache. Ein Verfassungsgericht, vor dem man die Begründung der Regierung anfechten könnte, gibt es in Griechenland nicht. Es würde sich auch kein Kläger finden: Der Hauptgegner der ND, die Pasok des Ex-Außenministers Giorgos Papandreou, und kleinere Oppositionsparteien fordern seit Monaten ebenfalls Neuwahlen.
Überraschend kam für die Bürger allerdings der frühe Termin. Warum Karamanlis jetzt auf eine Blitzwahl setzt, hat diverse Gründe. Der wichtigste dürfte sein, dass vor den Wahlen keine parlamentarische Haushaltsdebatte mehr möglich ist. Damit bleibt es Karamanlis erspart, seinem Volk zu erklären, welche Lasten er ihm zumuten will, um das Budget zu sanieren.
Ein zweiter Grund ist, dass die Regierung weitere Enthüllungen über einen Skandal fürchtet, der die griechische Öffentlichkeit seit Monaten beschäftigt. Die Verwalter der Rentenkassen wichtiger Berufszweige haben ihnen anvertraute Summen auf dem Geldmarkt platziert, wobei an den verschachtelten Operationen offenbar ND-Seilschaften mitverdienten. Ein noch unveröffentlichter Untersuchungsbericht über diese Vorgänge, der die Regierung belasten soll, dürfte bis zum 16. September der Opposition noch einige Wahlkampfmunition liefern.
Dabei ist der Rentenkassen-Skandal nur der letzte einer Serie von Fehlern und Versäumnissen der Regierung. Besonders erzürnt sind die Bürger auch über die Waldbrände dieses Sommers, die auf fatale Mängel der staatlichen Präventionspolitik zurückzuführen sind.
Dass die ND und Karamanlis trotz ihrer durchwachsenen Erfolgsbilanz als Favorit in die Wahlen gehen, liegt in erster Linie an der Opposition. Die Pasok bietet auf keine der Fragen, die Griechenland in naher Zukunft beschäftigen werden (die Krise des Bildungssystems, die ökologische Krise, der drohende Ruin des Rentensystems), eine klare Antwort, geschweige denn konkrete und solide Alternativen.
Zudem ist Parteiführer Giorgos Papandreou als Herausforderer von Karamanlis eine große Enttäuschung. "Der kleine Georg" (Giorgakis), wie der Sohn des legendären Parteigründers Andreas Papandreou genannt wird, schwankt ständig zwischen der Rolle des soliden sozialdemokratischen Reformers und des populistischen Parteiführers, von denen er keine überzeugend verkörpert. Für die Pasok ist er damit im Wahlkampf eher ein Handicap als ein Hoffnungsträger. Obwohl der Vorsprung der ND gegenüber Pasok nach jüngsten Umfragen immer noch zwei Prozent beträgt, liegt Papandreou bei der Frage, wen die Griechen für den kompetenteren Regierungschef halten, weit hinter Karamanlis zurück.
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