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Griechenland plant ReferendumFlucht nach vorn

Griechenlands Ministerpräsident Papandreou kündigt überraschend ein Referendum über die jüngsten EU-Beschlüsse an. Ein riskantes Manöver mit offenem Ergebnis.

Auf den Straßen sagen die BürgerInnen überwiegend Nein („Oxi“) zu den geplanten Sparmaßnahmen. Bild: dpa

ATHEN taz | Selbst seine eigenen Minister waren überrascht von dieser Ankündigung: Das griechische Volk müsse selbst zu Wort kommen und in einem Referendum über den in Aussicht gestellten Teilerlass der Staatsschulden sowie die damit einhergehenden drastischen Sparmaßnahmen frei entscheiden. Das erklärte der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou sinngemäß am Montagabend vor der Fraktion der regierenden Sozialisten in Athen. Zudem stellte er noch einmal die Vertrauensfrage.

Doch am Dienstag wurde auch der Ministerpräsident von seinen Abgeordneten überrascht. Die ehemalige Vizeministerin Milena Apostolaki, einst eine Vertraute des Finanzministers Venizelos, verließ die sozialistische Regierungsfraktion und erklärte sich für unabhängig.

Wenig später kam die ehemalige EU-Kommissarin Vaso Papandreou zu Wort: Das Land stehe kurz vor dem Bankrott, eine Regierung der nationalen Einheit sei dringend nötig und Staatspräsident Karolos Papoulias müsse Initiativen in dieser Richtung ergreifen, so die ehemalige Wirtschaftsministerin.

Akute Bauchschmerzen

Griechenlands Finanzminister Evangelos Venizelos ist am Dienstag mit Magenproblemen in ein Athener Krankenhaus eingeliefert worden. Venizelos hatte den Posten als Chef des Finanzressorts erst im Juni übernommen. Wie seine europäischen Kollegen arbeitete er zuletzt nahezu rund um die Uhr, um die Insolvenz seines Landes zu verhindern. Dem Vernehmen nach soll er trotz Krankenhausaufenthaltes mit Vertretern der EU, des IWF und der Banken – darunter Bundesfinanzminister Schäuble, Deutsche-Bank-Chef Ackermann und EU-Kommissar Rehn – über das Rettungspaket gesprochen haben. (rtr)

Schon in der vergangenen Woche hatten vier Abgeordnete der regierenden Sozialisten für eine "Regierung zur Rettung des Landes" plädiert, ohne Papandreou versteht sich. Nun brodelt die Gerüchteküche in Athen. Es wird heftig spekuliert über weitere Rücktritte und auch darüber, dass möglicherweise Papandreou diese Woche politisch nicht überlebt.

Im Moment hat der Regierungschef immer noch eine knappe Mehrheit von zwei Sitzen im griechischen Parlament. Er ringt um seine Fassung und sucht den Befreiungsschlag in der angekündigten Volksabstimmung. Völlig überraschend kommt sein Referendum eigentlich nicht, denn Papandreou gilt ohnehin als Anhänger basisdemokratischer Verfahren.

Abgesagte Volksabstimmungen

Als Oppositionsführer plädierte er vor der Europawahl 2009 für eine Volksabstimmung über den Lissaboner Vertrag und machte sich damit nur wenig Freunde in Brüssel; nach seinem Wahlerfolg war diese Forderung allerdings gleich wieder vergessen.

Im September waren Pressegerüchte aufgekommen, Papandreou würde einen Volksentscheid über den Verbleib Griechenlands in der Eurozone planen. Und da war auch noch der Wahlerfolg bei den Kommunal- und Regionalwahlen 2010.

Papandreou erklärte damals die Wahl zu einer Volksabstimmung über seine Sparpolitik. Daraufhin konnten die Sozialisten deutlich zulegen und erstmals nach zwanzig Jahren in allen Großstädten den Bürgermeister stellen. Was schon einmal funktioniert hat, kann mit Sicherheit noch mal klappen, denkt sich Papandreou offenbar.

Grundsatzfrage Europa

Die griechische Presse sieht das anders: Ein "hohes Risiko" befürchtet die auflagenstärkste Athener Tageszeitung Ta Nea, die linksliberale Eleftherotypia erklärt sogar den "politischen Bankrott der Regierung". Auch wird darauf hingewiesen, dass die Bürger in Griechenland kaum Erfahrung haben mit direkter Demokratie.

Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild sind völlig unbekannt. 1974 wurde ein Referendum abgehalten, damals ging es um die Abschaffung der verhassten Monarchie nach dem Zusammenbruch der griechischen Militärdiktatur.

Die Menschen in Griechenland sind offenbar überrascht, aber einem Referendum nicht unbedingt abgeneigt. So manche finden den Volksentscheid eine gute Idee, zumal das erste Rettungspaket für Griechenland und die damit verbundenen Sparmaßnahmen im Jahr 2010 überhaupt nicht durch das Parlament kamen.

Sie wurden einfach als selbstverständlich hingenommen, als würde Papandreou am Parlament vorbeiregieren. Da sei es doch eine gute Idee, wenn das Volk auch mal zu Wort kommt, finden so manche Verfassungsrechtler.

Freiwilliger Forderungsverzicht

Wirtschaftsexperten sind allerdings anderer Auffassung und befürchten Schlimmes. Es könne doch nicht sein, dass Griechenland aufgrund der letzten Brüsseler Vereinbarung auf einen freiwilligen Forderungsverzicht der Banken angewiesen ist und trotzdem die Vereinbarung infrage stellt, bevor überhaupt die Hauptverhandlungen mit den Finanzinstituten begonnen haben.

Das sei doch so, sagen die Kritiker, als würde Griechenland selbst den Banken ein willkommenes Argument gegen einen freiwilligen Forderungsverzicht liefern, den die EU-Partner in mühsamer Kleinarbeit zustande gebracht haben.

Für Aufregung sorgen auch die Umfrageergebnisse von letzter Woche. Da hatten 60 Prozent der Befragten die Beschlüsse der jüngsten Brüsseler Gipfeltreffen als negativ bewertet. Das ist mit Sicherheit kein gutes Zeichen für das angekündigte Referendum.

Andererseits: In der gleichen Umfrage sprachen sich knapp 75 Prozent der Befragten für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone aus. Möglicherweise, munkelt man in Athen, will Papandreou genau diese Stimmung aufgreifen und den griechischen Wählern deutlich machen, dass es hier nicht nur um die Privatisierung der Elektrizitätswerke geht, sondern um die Grundsatzfrage, ob Griechenland weiterhin dem harten Kern Europas angehören soll. Da würden wohl die wenigsten der Befragten - so das Kalkül - mit einem Nein stimmen.

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10 Kommentare

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  • JS
    Johannes Schwarz

    Ihren Kommentar hier eingeben Wo gibt es denn so etwas? Seit wann wird denn hier ein Volk befragt? Wie weit will sich unsere brüsseler Bürokratur denn noch gehen lassen? Sehen die Griechen denn nicht die Ansteckungsgefahr für den ganzen Euro-Raum?

  • P
    Peter

    Also, wenn die Griechen jetzt tatsächlich über das Hilfpaket abstimmen und dies auch noch mit Demokratie begründen, obwohl es offensichtlich eher das verschieben von Verantwortung von oben nach unten ist, sollten wir auf jeden Fall auch eine Volksabstimmung abhalten. Schließlich sollen wir einen Großteil zahlen und müssen daher erst recht an der Entscheidung direkt beteiligt werden.

  • VZ
    Von Zyniker

    Das arme griechische Volk hat zum Beispiel in den letzten 10 Jahren die eigene Rentenversicherung um ca 9 Milliarden Euro beschissen. der Tode der Rentenbezieher wurde nicht gemeldet und statt dessen schön weiter abkassiert.

     

    Mit so einer Mentalität wird sich da gar nichts ändern.

    Dieses Volk hat genau die Regierung, die es in einer geheimen demokratischen Wahl bestimmt hat.

    Und seine koruppte unfähige Regierung ist einfach nur ein Spiegelbild eines koruppten Volks.

     

    Was wird der Volksentscheid wohl bringen.

     

    "Wir, die Griechen sind an nichts schuld, bezahlen sollen die Anderen."

     

    Und wer sind die Anderen ?

     

    Schaut in den Spiegel und ihr werdet sie sehen.

  • S
    Schulz

    Ich wusste bis jetzt nicht, dass 1974 eine Monarchie in Griechenland endete...

    aber Volksentscheid zum Schulden-Euro-Problem finde ich prinzipiell gut.

    Endlich mal die Schulden abfahren lassen, abschneiden, was besseres, vielleicht Transferbank zwischen arabischen Waehrungen und Euro als Ausgleichsbank neu gruenden. Besser als die Schweiz sein, ist auch ein Ziel.

    Jedes Land hat eine andere Geografie und muss das Beste daraus machen.

    Vielleicht macht Griechenland nur vor, was Deutschland danach ganz anders noch einige Male erlebt um dann als letztes europaeisches Land den Euro zu besitzen?

  • E
    emil

    wieso veröffentlicht die redaktion so einen euphemistisch nationalistischen unfug von einem großen zypern?!

  • KH
    Karin Haertel

    Die Griechen verhoehnen oder verarschen uns, wie man es sehen will. Sie haben was sie wollen. Jede Menge "Rettungskohle", 50% Schuldenerlass und den Rest werden sie auch nicht abbezahlen und zur Kroenung werden sie zur Drachme zurueckkehren und ihr altes Leben forfuehren. Wie dumm sind die dafuer verantworlichen Personen in der EU und auch in unserer Regierung, ass sie jahrelang die frisierten Bilanzen nicht durchschaut haben?

  • V
    vic

    Habe gehört,

    "die Märkte" und Börsenplätze reagierten auf die Ankündigung eines Referendums "verschreckt".

    Gemeinsam mit der Empörung von politischer Seite klingt das für mich gut.

    Die Märkte können sich meinetwegen zu Tode erschrecken. Ebenso Börsen und Politiker.

  • HA
    Hilfe aus Zypern

    Tag 1: Griechenland erklärt Zypern den Krieg

    Tag 2: Zypern gewinnt und setzt die griechischen Truppen fest (keine Verluste)

    Tag 3: Zyprische Marine besetzt Piräus und marschiert nach Athen

    Tag 4: Die griechische Regierung ergibt sich der zyprischen Armee

    Tag 5: Zypern besetzt Griechenland und macht es zu einem Teil der Republik Zypern

    Tag 6: Es gibt kein Griechenland und damit auch keine Schulden mehr, nur Zypern als Mitglied von EU und Eurozone

  • S
    Seraquael

    Auch wenn sich der gute Papandreou mit dieser Aktion lediglich im Amt halten will fände ich es auf Seiten des Volkes vernünftig das sich die Griechen nicht zu Millionen in die Armut treiben lassen weil ein paar hundert Banker Schulden gemacht haben die, weil völlig losgelöst von der Realwirtschaft, sowiso eine höchst zweifelhafte Legitimation haben.

     

    Die Isländer haben es nicht anders gemacht nur war der internationale Aufschrei nicht so groß weil die Isländer jetzt nicht gerade zu den größten Völkern dieser Erde gehören und auch nicht in der Eurozone sind.

     

    Gruß Seraqauel

  • R
    Rose

    Die "Märkte" und die Politiker haben Angst vor der Demokratie!Aha-das sollte sich jeder gut merken,wenn Bankster und ihre Lakaien in der Politik sich auf Demokratie beziehen!