: Griechenland droht Geflüchteten
Die Athener Regierung ergreift in der Asylpolitik harte Maßnahmen – mit rechtswidrigen Mitteln
Aus Athen Ferry Batzoglou
Griechenlands konservativer Premierminister Kyriakos Mitsotakis hat am Mittwoch ein Maßnahmenpaket angekündigt, um der wachsenden Zahl Geflüchteter aus Ostlibyen zu begegnen.
Wie Mitsotakis erklärte, werde Athen die Prüfung von Asylanträgen für Geflüchtete, die aus Nordafrika in Griechenland ankommen, für drei Monate aussetzen. Ferner sollen alle Flüchtenden, die irregulär nach Griechenland einreisen, inhaftiert werden. Dafür solle auf Kreta ein erstes geschlossenes Aufnahmelager errichtet werden. Schließlich werde die griechische Regierung „mit den libyschen Behörden zusammenarbeiten, um zu verhindern, dass die Boote oder Schiffe mit Migranten an Bord die libysche Küste verlassen“.
Geschehe dies doch, dann werde seine Regierung, wenn möglich, dafür sorgen, „dass diese Boote dorthin zurückkehren, von wo aus sie gestartet sind, bevor sie in internationale Gewässer eindringen“. So sollen für Griechenland verpflichtende Such- und Rettungsaktionen weitestgehend verhindert werden. Premier Mitsotakis bezeichnete dies als „notwendige, vorübergehende Reaktion“.
Am Mittwochabend reichte Migrationsminister Thanos Plevris eine entsprechende gesetzliche Neuregelung in das Athener Parlament ein, die am Donnerstag verabschiedet werden sollte. Darin heißt es: „Die Einreichung von Asylanträgen von Personen, die mit Transportmitteln auf dem Seeweg aus Nordafrika illegal ins Land kommen, wird ausgesetzt. Diese Personen werden ohne Registrierung in das Land der Abreise oder der Herkunft zurückgeführt.“
Plevris hatte zuvor die Umsetzung des neuen Maßnahmenpakets demonstrativ unter dem Titel „Sofortige Maßnahmen zur Bekämpfung der Invasion aus Nordafrika“ angekündigt. Seine „klare Botschaft“ an potenzielle Neuankömmlinge lautet: „Bleibt da, wo ihr seid. Wir akzeptieren euch nicht.“
Teile der Athener Opposition übten Kritik an der Verschärfung des ohnehin seit ihrem Amtsbeginn im Juli 2019 rigiden Migrationskurses der Regierung Mitsotakis. Sokrates Famellos, Parteivorsitzender der linken Ex-Regierungspartei Syriza, warf Mitsotakis vor, „auf der Ebene der EU keine Politik zur Rückführung und Verteilung von Geflüchteten zu verfolgen und hinzunehmen, dass das Land zu einem Gefängnis für Seelen wird“. Der Griechische Flüchtlingsrat erklärte, Mitsotakis’ Maßnahmenpaket verstoße gegen das Internationale Recht.
Fest steht: Während bisher Schutzsuchende überwiegend aus der Türkei nach Griechenland kamen, schaffen es immer mehr Menschen auf der Route aus Libyen nach Kreta. Seit Jahresbeginn haben auf diesem Weg mehr als 9.000 Flüchtende Hellas erreicht. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2024 hat sich die Zahl gut vervierfacht.
Allein am Montag dieser Woche kamen 963 Menschen auf Kreta an. Am Mittwochmorgen griff die griechische Küstenwache vor Kreta 520 weitere Migranten auf. Bei den Neuankömmlingen handelt es sich nach Angaben der griechischen Behörden überwiegend um Menschen aus Ägypten, Pakistan sowie Bangladesch. Diese Staaten gelten in Griechenland allesamt als sichere Herkunftsländer. Die Menschen werden gegenwärtig vorübergehend in leer stehenden Fabrik- und Sporthallen untergebracht. Viele müssen draußen schlafen. Es herrscht ein großer Mangel an sanitären Einrichtungen, Essen, Kleidung, Matratzen und Decken. Bisher lautete der Plan, die Geflüchteten in bewachte Auffanglager auf dem griechischen Festland zu bringen.
Zu einem vereinbarten Treffen zwischen Magnus Brunner, EU-Kommissar für Migration und den Ministern aus Griechenland, Italien und Malta in Tripolis mit der libyschen Regierung kam es nicht.
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