Viele Griechen denken, dass ihr Schicksal eher in Berlin als in Athen bestimmt wird. Bei der Bundestagswahl hoffen sie nur noch auf das kleinste Übel.
Griechenlands Regierungschef Alexis Tsipras und Sigmar Gabriel
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Wenn schon Martin Schulz von Merkels „Schlaftabletten-Wahlkampf“ spricht, dann ist klar, dass die streitlustigen Griechen den deutschen Wahlkampf erst recht langweilig finden. Die Bundestagswahl scheint zu einer Veranstaltung verkommen zu sein, wo die Herausforderer einer nach dem anderen in der Arena antreten – aber zum Schluss gewinnt immer Merkel.
Martin Schulz hätte dem Beispiel von Alexis Tsipras folgen können, der schon bei der Europawahl 2014 mit der eigenwilligen Parole „Go back, Frau Merkel“ Wahlkampf führte. Sieben Monate danach gewann der Syriza-Chef auch die Parlamentswahlen in Griechenland. Gewiss, da waren Links- und Rechtspopulisten am Werk, und Schulz ist ein erklärter Gegner der Populisten.
Er konnte aber keine Wechselstimmung in Deutschland erzeugen. Womit auch? Die Deutschen sind meist zufrieden mit ihrer Situation und über den schlechteren Zustand ihrer europäischen Nachbarn bestens informiert.
Und Europa? Die Eurozone wäre heute nicht dieselbe, hätte Merkel im Streit mit Schäuble wegen eines möglichen Grexit im Krisenjahr 2015 die FDP von Lindner als Koalitionspartner gehabt und nicht die SPD von Steinmeier und Gabriel.
Tsipras spekulierte auf Regierungswechsel in Berlin
Die Griechen registrieren jede politische Veränderung in Deutschland sehr akribisch. Nach der bitteren Erfahrung in der Schuldenkrise sind sie fest davon überzeugt, dass ihr Schicksal eher in Berlin als in Athen bestimmt wird. Entsprechend groß war in Athen die Hoffnung auf ein Ende von Schäubles Sparpolitik, als die Umfragewerte von Martin Schulz ihren Höhenflug erreichten. Tsipras’ Links-rechts-Regierung spekulierte auf einen Regierungswechsel in Berlin, um eine Schuldenerleichterung zu erzielen.
Der Autor
Georgios Pappas ist Deutschland-Korrespondent für ERT und TA NEA
Inzwischen hat man sich in Griechenland damit abgefunden, dass Wolfgang Schäuble Finanzminister bleibt. Letzte Hoffnung ist jetzt, dass in der nächsten Merkel-Regierung nicht die FDP den Ton angibt, in der Christian Lindner das altbekannte Lied vom Grexit singt.
Gravierend für das Bild Deutschlands in Europa wäre, wenn die AfD bei einer eventuellen Neuauflage der GroKo als dritte Kraft in den Bundestag einziehen würde und Gauland nicht mehr als rechtspopulistischer Außenseiter, sondern als Oppositionsführer im deutschen Parlament seinen „Stolz auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen“ zum Ausdruck brächte.
Best of Wahlkampf
83 Millionen Menschen, 62 Millionen Wahlberechtigte, 630 Sitze im Bundestag. Am 24. September wählt Deutschland. Was ist bisher passiert?
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29. Januar 2017: Mögen die Spiele beginnen! Nach Steinmeier und Steinbrück beginnt auch der Name des nächsten Merkel-Herausforderers mit einem S; es ist Martin Schulz. Bisher den meisten als Vorsitzender des EU-Parlaments bekannt, macht ihn die SPD zu ihrem Kanzlerkandidaten und beauftragt ihn damit, sie aus ihrem Umfragetief zu hieven, ...
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... was ihm auch prompt gelingt. Ende Januar hatte die SPD nur knapp über der 20-Prozent-Marke gelegen – doch der Schulz-Zug rollt und Ende März liegt seine Partei sogar gleichauf mit der CDU: 32 Prozent. Aber der Effekt verpufft schnell. Anfang September liegen die Sozialdemokraten wieder bei 20 Prozent.
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14.05.: An diesem Tag wechselt in Düsseldorf ein anderer auf die Überholspur. Die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen gelten als wegweisend für die Wahl der Bundesregierung. Die SPD bekam in der alten Hochburg ihr bislang schlechtestes Ergebnis, während die FDP das große Comeback feierte. Sie schickt ihren Helden jetzt nach Berlin.
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Mit ihrer vieldiskutierten und über fünf Millionen Euro teuren Werbekampagne setzt die FDP alles auf die Karte namens Christian. Ob es auch daran liegt, dass viele die Partei als One-Man-Show wahrnehmen? Den Liberalen kann es zumindest vorerst egal sein, denn sie sind auf dem Weg zurück in den Bundestag.
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23.05.: „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ heißt das Parteiprogramm der SPD, das sie an diesem Tag veröffentlicht. Sie fordert bessere Löhne, vor allem für Menschen, die in Pflegeberufen arbeiten, für Frauen und für Arbeitslose, die sich freiwillig fortbilden. Arbeitslosengeld Q (wie „Qualifikation“) statt Hartz IV.
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03.07.: Die CDU zieht nach mit einem Wahlprogramm, in dem Wirtschaft, Familie und innere Sicherheit ganz oben stehen. Sie will Steuern senken, Familiengeld erhöhen und die Polizei aufstocken: 15.000 Beamt*innen mehr sollen zukünftig im Einsatz sein. Auch Videoüberwachung steht auf der Agenda.
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07.07.: Der Bundeswahlleiter veröffentlicht die Liste aller zur Bundestagswahl zugelassenen Parteien. Insgesamt treten am 24. September 48 Parteien an. Viele von ihnen greifen von den „Großen“ missachtete Themen wie das bedingungslose Grundeinkommen auf. Es gibt die anarchistische Bergpartei (Bild). Oder auch die Magdeburger Gartenpartei.
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06.08.: Laut Straßengesetz dürfen die Parteien ab diesem Tag Wahlplakate anbringen. Eine vorher durchgeführte Umfrage ergab: Allein in Berlin wollen die Parteien 210.000 Werbeplakate aufhängen. Hinzu kommen rund 2.600 sogenannte Großtafeln, die vor allem entlang der Hauptstraßen aufgestellt werden.
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25.08.: Bundesinnenminister Thomas de Maiziére verbietet die Internetplattform linksunten.indymedia.org. Nach den Krawallen beim G20-Gipfel in Hamburg ist Linken-Bashing parteiübergreifend en vogue. Dabei sank die Zahl linker Straftaten im vergangenen Jahr um zwei Prozent auf 9.389 Delikte, die der linken Gewalttaten gar um 20 Prozent.
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28.08.: Der AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland sagt, er wolle SPD-Politikerin Aydan Özoğuz (Bild) in Anatolien „entsorgen“ – der vorläufige Höhepunkt der Hetze der Partei. Gegen Gauland werden mehrere Strafanzeigen gestellt, unter anderem durch den früheren BGH-Richter Thomas Fischer wegen des Verdachts der Volksverhetzung.
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30.08.: Der „Wahl-O-Mat“ geht online. Er hilft seit 2002 bei der Entscheidung, welche Partei am besten zu einem passt. Über 50 Millionen Mal wurde er bislang genutzt. Dieses Jahr ging er mit der Frage viral, ob das Holocaust-Gedenken Teil der deutschen Erinnerungskultur bleiben sollte.
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03.09.: Duelle im Fernsehen spiegeln den Kampf vor der Wahl: Zwischen Merkel und Schulz ging es in diesem Jahr ziemlich brav einher. Dafür wurde die TV-Debatte der fünf kleineren Parteien zum Aufreger. Alice Weidel von der AfD kopierte die Strategie des Parteikollegen Gauland, verließ beleidigt die Sendung und inszenierte ihre Partei als Opfer des Establishments.
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04.09.: Nach einigen Torten-Anschlägen in der jüngeren Vergangenheit ist es Angela Merkel nun gleich zwei Mal passiert: In Heidelberg und Wolgast wurde sie von rechten Demonstrierenden mit Tomaten beworfen. Insgesamt haben Hass-Reaktionen von rechts in diesem Wahlkampf deutlich zugenommen.
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17.09.: Eine Woche vor dem Wahltag wird die Frage nach der Koalitionsbildung immer brisanter. Wird es vier weitere Jahre Große Koalition geben oder wird es „Jamaica“? Innerhalb der Grünen (im Bild Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt) brodeln die Auseinandersetzungen über eine Zusammenarbeit mit CDU und FDP.
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24.09.: Der Tag der Entscheidung – um 8 Uhr öffnen die Wahllokale, die Deutschen können ihre Stimme abgeben und der Auszählung entgegenfiebern. Vorm Fernseher oder auch im taz-Café: Ab 17 Uhr sind alle eingeladen, zur Wahlparty bei Häppchen, Getränken und Musik mit uns zu diskutieren, zu jubeln oder zu trauern.
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Diese „Leistungen“ sind als Gräueltaten und Verwüstungen in Griechenland und anderswo in Europa in Erinnerung geblieben. Solche Äußerungen geben Reparationsforderungen aus Griechenland und neuerdings auch aus Polen neuen Auftrieb. Sie erinnern an das hässliche Gesicht Deutschlands. Das ist das Letzte, was Europa heute braucht.
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"Die Eurozone wäre heute nicht dieselbe, hätte Merkel im Streit mit Schäuble wegen eines möglichen Grexit im Krisenjahr 2015 die FDP von Lindner als Koalitionspartner gehabt und nicht die SPD von Steinmeier und Gabriel."
Yep, dann würden wir inzwischen sehen, ob ein Grexit wirklich so viel entsetzlicher gewesen wäre, als jahrelange Kürzungen und Ausverkauf der griechischen Infrastruktur.
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