Grenzstreit von Slowenien und Kroatien: Seeblockade dauert weiter an
Slowenien und Kroatien können sich nicht auf eine Seegrenze einigen. Daher blockiert Ljubljana Kroatiens EU-Beitritt. Brüssel mahnt Einigung an.
SPLIT taz | Noch vor wenigen Jahren galten die Slowenen als Musterschüler Europas. Sie hatten vor ihrem Eintritt in die EU 2004 ihre Hausaufgaben gemacht, galten als der stabilste und wirtschaftlich erfolgreichste Staat der Osterweiterung der EU. Doch was die slowenische Regierung jetzt in Bezug auf den Grenzstreit mit Kroatien produziert, wird von den anderen 26 EU-Staaten als ziemlich deplatziert empfunden.
Denn die jugoslawische Exrepublik versucht zum Missfallen aller gestern in Luxemburg versammelten EU-Außenminister mit allen Mitteln den Beitritt einer anderen ehemaligen jugoslawischen Republik, Kroatien, zu verhindern. Die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien sollten eigentlich Ende 2009 abgeschlossen sein.
Fest macht sich der Konflikt an dem Grenzstreit, der schon seit der Unabhängigkeit der beiden Staaten 1991 schwelt, während des Krieges in Kroatien bis 1995 aber zurückgestellt war. Es geht neben einigen kleineren Grenzstreitigkeiten in Istrien vor allem um die Grenzziehung in der Bucht der slowenischen Hafenstadt Piran. Slowenien, das nur über wenige Kilometer Küste verfügt, will einen offenen Zugang zur Adria. Kroatien beharrt aber auf seiner Schutzzone, die zusammen mit jener Italiens den Slowenen gerade diesen offenen Zugang abschneidet.
Die Verhandlungen, die bis 1999 am Tudjman-Regime in Kroatien scheiterten, waren zwar unter der sozialdemokratischen Regierung Racan 2001 dem Durchbruch nahe. Doch dann legte sich Slowenien quer und ist seither kompromisslos geblieben. Im ehemaligen Jugoslawien spielte der Konflikt keine Rolle, auch in der EU wären die offenen Grenzen garantiert.
Doch Slowenien will nicht nachgeben, da sind sich die politischen Parteien einig. So wird in Ljubljana der von Kroatien angestrengte Prozess vor dem Seegerichtshof in Hamburg abgelehnt, denn nach dem gültigen Seerecht hätten die Kroaten wahrscheinlich die besseren Karten. Kroatien dagegen lehnte bis vor Kurzem jede politische Vermittlung durch die EU ab.
Die EU forderte Kroatien und Slowenien gestern dazu auf, ihren Grenzdisput so schnell wie möglich beizulegen. Mittlerweile hat Brüssel begriffen, dass erst bilaterale Konflikte gelöst werden müssen, bevor ein Staat in die EU aufgenommen werden kann.
Der kroatische Staatschef Stipe Mesic verwies in den letzten Tagen erneut darauf, dass ja auch Slowenien aufgenommen wurde, ohne den Konflikt gelöst zu haben. Doch in Brüssel weiß Erweiterungskommissar Olli Rehn sehr genau, dass kein weiterer Präzedenzfall geschaffen werden darf. Im Falle eines Beitritts der anderen Staaten des Westbalkans könnten der Namensstreit Mazedoniens mit Griechenland oder der noch immer ungelöste Konflikt zwischen Serbien und dem Kosovo die EU-Gremien beherrschen.
Schon mit dem Konflikt in Zypern hat sich die EU übernommen. Die neue Haltung der EU gibt jedoch den Slowenen und den Griechen einen noch stärkeren Hebel an die Hand, die Verhandlungen mit Kroatien bzw. Mazedonien zu erschweren. Im Falle Sloweniens spielen im Hintergrund noch andere Interessen mit. Eine neue Erweiterungsrunde nach Südosteuropa hieße sicher einen Bedeutungsverlust für das Zwei-Millionen-Einwohner-Land. Nicht nur, dass EU-Hilfen gekürzt werden könnten, Slowenien verlöre seine politische Rolle als Scharnier nach Südosteuropa. Würden die Kroaten EU-Mitglied, würden sie mit mehr Gewicht stärker Einfluss nehmen können. Das behagt Ljubljana gar nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland