"Greenwashing": Automesse wird riesige Klimashow
Die Automobilhersteller wollen auf der IAA mit ökologischen Neuerungen protzen - und stellen zugleich die Klimapläne der EU-Komission in Frage.
Noch nie stand die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt so im Zeichen der Umwelt wie in diesem Jahr: Glaubt man der Autolobby, wird die 62. IAA vom 13. bis 23. September nicht weniger als den ökologischen Durchbruch bringen. Die Umweltverbände sind skeptischer. "Die IAA wird eine Klimashow", sagte Werner Reh, der Verkehrsexperte des BUND. "Es geht in Wirklichkeit darum, eine eigentlich klimaunverträgliche Entwicklung grün zu waschen."
Die Hersteller wollten "in nie gekanntem Umfang" Lösungen zeigen, wie sie den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) senken können, sagte Matthias Wissmann, der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, am Montag.
Parallel dazu sind die bislang zerstrittenen europäischen Autobauer allerdings auf eine einheitliche Linie gegen die Klimapolitik der Europäischen Kommission eingeschwenkt. Diese will CO2-Grenzwerte einführen, nach denen jeder Hersteller für seine Flotte einen durchschnittlichen Ausstoß von 120 Gramm pro Kilometer einhalten muss. Dabei darf er eine Minderung von 5 bis 10 Gramm durch die Beimischung von Biosprit, optimierte Reifen und andere Maßnahmen einrechnen. Die Details sollen Anfang Januar vorliegen.
Die Hersteller wollen nun auf der weltgrößten Branchenmesse noch einmal heftig gegen die Pläne trommeln. Am Mittwoch wird der europäische Automobilverband Acea eigene Vorschläge zur Ausgestaltung der Grenzwerte vorlegen.
Der Aufwand ist vor allem bei den deutschen Konzernen verständlich. Ihre Neuwagen stoßen derzeit im Schnitt 11 Gramm mehr aus als die Fahrzeuge ihrer europäischen Konkurrenten.
Das Problem sind zum einen die Modellpaletten - BMW, Mercedes, Audi und Co setzen vor allem auf größere Fahrzeuge, die viel Sprit verbrauchen - und zum anderen verschleppte Innovationen. Nicht nur beim Hybrid, sondern auch bei kleinen Veränderungen tun sie sich schwer. Dabei können auch die Einführung von Benzin-Einspritzern, Start-Stopp-Systeme, die den Verbrennungsmotor abschalten, wenn das Fahrzeug im Stau oder an der roten Ampel steht, oder verbesserte Energiemanagements die CO2-Produktion um jeweils 5 bis 10 Prozent reduzieren. "Es müssen nicht gleich teure Technologien sein", so Reh.
Die Bundesregierung tut nach Ansicht der Umweltverbände zu wenig, um die EU-Klimapolitik zu unterstützen. Im Maßnahmenpaket zum Klimaschutz, das die Koalition Anfang Juli beschlossen hatte, kündigt sie an, die Kraftfahrzeugsteuer ab 2009 an den CO2-Werten ausrichten zu wollen - ein alter Plan. Gar nicht voran kommt der Abbau der Dienstwagenprivilegien, der über die Hälfte der Neuwagen betrifft. Hier können die Unternehmen weiterhin alle Betriebskosten, also auch den Sprit, von der Steuer absetzen. Selbst eine Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit sei durchsetzbar, glaubt Reh. Während der BUND-Mann von 160 Stundenkilometern als Grenze ausgeht, fordert die Umweltorganisation Greenpeace Tempo 120 auf Autobahnen. Das könne die CO2-Emissionen sofort um 9 Prozent jährlich verringern. "Keine andere Maßnahme hat so großes Potenzial", sagt Pressesprecher Patric Salize.
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