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Green Deal der EUKlima kommt unter den Omnibus

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Mit dem Argument Bürokratieabbau weicht die EU die ursprünglichen Klimaziele auf. Wettbewerbsfähigkeit wiegt nicht nur in Brüssel schwerer.

Eine strenge Klimapolitik wird den Interessen der Industrie nachgeordnet Foto: Frank Sorge/imago

T otgesagte leben länger, auch in der Klimapolitik. Der Green Deal, den die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen 2019 lanciert hat, wurde schon oft für tot erklärt. Bei der Europawahl 2024 haben sich Sozialdemokraten und Grüne an der Reanimation versucht. Sie stimmten von der Leyens Wiederwahl zu – in der Hoffnung, dass die CDU-Politikerin den Green Deal rette.

Vergebens. Der Klimaschutz genießt in Brüssel keine Priorität mehr. Die neue EU-Kommission ordnet alles dem Bürokratieabbau und der sogenannten Wettbewerbsfähigkeit unter – also dem Ringen mit den USA und China um die besten Verwertungsbedingungen für das Kapital und die Industrie. Bisher zieht die EU dabei den Kürzeren, sogar „grüne“ Industriezweige wandern ab.

Nun legt von der Leyen den Turbo ein. Mit den sogenannten Omnibus-Verordnungen zur radikalen Vereinfachung von EU-Gesetzen, einem „Clean Industrial Deal“ für eine saubere Industrie und einem Aktionsplan für günstigere Energie will sie verlorenes Terrain wiedergutmachen. Der Green Deal werde nicht angetastet, heißt es in Brüssel, sondern nur an die neue Lage angepasst.

Klingt gut, stimmt aber nicht. Die EU legt zwar nicht die Kettensäge an, wie Argentiniens rechtsradikaler Präsident Javier Milei. Doch sie wirft den Green Deal unter den (Omni-)Bus. Dabei sind die am Mittwoch vorgelegten Vorschläge nur der Auftakt für eine ganze Reihe von Gesetzesänderungen, die auf eine Deregulierung und die klammheimliche Abwicklung des Green Deals hinauslaufen.

Die zweite Welle steht schon in wenigen Wochen an. Dann dürfte Friedrich Merz Bundeskanzler sein – und dafür sorgen, dass die EU einen noch industriefreundlicheren Kurs fährt. Schon jetzt hat der CDU-Chef hinter den Kulissen dafür gesorgt, dass von der Leyen die Klimapolitik aufweicht. Bei der Europawahl hat er „seine“ Spitzenkandidatin auf Linie gebracht. Nun setzt die deutsche CDU-Politikerin die Wahlversprechen um. Wenn sie Merz folgt, wird der Green Deal endgültig unter die Räder kommen.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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1 Kommentar

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  • Daran merkt man einfach nur, dass es nie ernstgemeint war, sondern eine Reaktion auf den Zeitgeist von vor paar Jahren. Sobald das System und das dahinterstehende Kapital sich gefährdet sieht, werden die Prioritäten neu gesetzt.

    Obwohl sich beides, Klimaschutz und Schutz der heimischen Industrie, durchaus gleichzeitig durchführen ließe. Wenn man und frau nur wollte.