Grabeskirche in Jerusalem: Handfester Streit zwischen Mönchen
Die Prügelei zwischen griechisch-orthodoxen und armenischen Mönchen zeigt: Trotz fester Regeln für die Koexistenz der religiösen Gemeinschaften kommt es zu Konflikten.
JERUSALEM taz Ausgerechnet vor der für das Christentum heiligsten Stätte sind sich die frommen Männer in die Haare geraten: Armenische Mönche gegen griechisch-orthodoxe Geistliche und umgekehrt. Der bizarre Boxkampf an der Grabeskirche in Jerusalems Altstadt endete vorerst mit einem Unentschieden und mit Verhaftungen der beiden zornigsten Streithähne, die mit blutendem Gesicht und in Handschellen das Schlachtfeld verlassen mussten. Das letzte Wort dürfte indes noch nicht gesprochen sein. Zu sehr weckt der Ort, an dem Jesu Christi Kreuzigung und Auferstehung stattgefunden haben soll, die Emotionen seiner Anhänger.
Anlass des Handgemenges am Sonntag war die Prozession der armenischen Kleriker, die in Erinnerung an den Fund des Kreuzes, an dem Jesus der Überlieferung nach gestorben sein soll, zur umstrittenen Kirche pilgerten. Die armenischen Mönche mit ihren auffallend roten Roben zelebrieren den Fund aus dem 4. Jahrhundert regelmäßig einmal im Jahr. Am Sonntag wurden sie, nach Auskunft des armenischen Patriarchats, von rund 25 griechisch-orthodoxen Männern aus einem regelrechten Hinterhalt heraus in Empfang genommen, was die Angreifer nicht bestreiten. "Wir leisten Widerstand, damit die Prozession hier nicht durchkommt", gab ein griechisch-orthodoxer Mönch gegenüber israelischen Journalisten offen zu. Hintergrund der aktuellen Auseinandersetzung ist die Forderung der griechisch-orthodoxen Kirche, dauerhaft einen ihrer Mönche unmittelbar neben dem Grab zu postieren, was die Armenier wiederum nicht zulassen wollen.
Nach Angaben von Polizeisprecher Micky Rosenfeld waren 30 Beamte im Einsatz, zuzüglich Grenzschützern und "anderen Einheiten", die fast 20 Minuten damit beschäftigt waren, die beiden Konfliktparteien voneinander zu trennen, so angespannt sei die Atmosphäre gewesen.
Die beiden christlichen Gruppen gerieten am Wochenende zwar ungewöhnlich heftig, aber nicht zum ersten Mal aneinander. Am Palmsonntag im April schlugen sich Priester und Kirchgänger gegenseitig die Nasen blutig. Wieder waren es armenische und griechisch-orthodoxe Christen. Dabei sind außer den beiden Gruppen noch vier andere christliche Glaubensgemeinschaften in der Grabeskirche vertreten. Erleichternd für die römisch-katholischen Christen ist die Tatsache, dass ihre Feiertage auf ein anderes Datum fallen als die der Orthodoxen. Nur die Protestanten haben ihr eigenes Gotteshaus, die nur ein paar Meter von der Grabeskirche entfernt liegende Erlöserkirche.
Um die Gruppen von vornherein auseinanderzuhalten, bestehen feste Regeln über unterschiedliche Gebetszeiten und die räumliche Aufteilung. Der Schlüssel zum umstrittenen Gotteshaus befindet sich aufgrund des Streitpotenzials gar nicht erst in christlicher Hand, sondern wird gemeinsam von den muslimischen Familien Joudeh und Nusseibeh verwaltet. Von kurzen Unterbrechungen abgesehen, sind die Nusseibehs seit fast tausend Jahren dafür zuständig, die Kirche täglich auf- und wieder zuzuschließen. Die Joudehs verwalten seit etwa 500 Jahren den Schlüssel zur Hälfte mit.
Die Unfähigkeit der christlichen Gruppen, friedlich miteinander zu kommunizieren und eine Einigung zu erreichen, verhindert auch dringend notwendige Renovierungsarbeiten. Dabei würde der Staat Israel für die Finanzierung aufkommen. So ist das Dach in einem Flügel der Kirche seit mehreren Jahren einsturzgefährdet, außerdem müsste ein Notausgang gebaut werden für den Fall, dass ein Feuer in der Kirche ausbricht. Zu welchen grotesken Auswüchsen die unklaren Besitzverhältnisse führen, wird an einer alten Leiter deutlich, die seit dem 19. Jahrhundert im Eingangsbereich steht und längst nicht mehr genutzt wird. Um sie wegzuräumen, müsste eine Konsensentscheidung getroffen werden. Sonst könnte es wegen eines "unbefugten Leiterentfernens" zu einem neuen Disput kommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“