Gottesdienste im Fernsehen: Öffentlich-rechtliches Halleluja
ARD und ZDF sind dazu verpflichtet, Kirchenformate auszustrahlen. Die Produktion finanzieren sie größtenteils selbst – trotz Sparauflagen.
Ist es korrekt, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland die Sendungen der Kirchen produzieren und finanzieren? Keine einzige der zuständigen Landesbehörden hat dies bisher geprüft, ist das Ergebnis einer Anfrage der taz an die Landesrechnungshöfe, die für die Kontrolle von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Rundfunksender zuständig sind.
Die Rundfunkgesetze und -staatsverträge verpflichten die Sender zwar dazu, Gottesdienste, Morgenandachten und andere Kirchensendungen auszustrahlen. Doch die Öffentlich-Rechtlichen produzieren und finanzieren die Gottesdienste darüber hinaus selbst – und könnten sich nach Auffassung des Leipziger Rundfunkrechtlers Christoph Degenhart dafür die Kosten erstatten lassen. Sie tun es nur nicht.
Beim armen Radio Bremen ist man zwar sparsam. Die Regie besichtigt die Kirche nicht vor der Übertragung, und die Pfarrer bekommen für eine Morgenandacht nur halb so viel wie beim WDR, nämlich 26 Euro. „Die können froh sein über eine preiswerte Sendestunde“, meint der Bremer evangelische Rundfunkbeauftragte Olaf Droste. Ob der Sender rechtlich zu den von Pfarrer Droste verantworteten Gottesdienstübertragungen verpflichtet ist, weiß er nicht. Im Landesrundfunkgesetz für Bremen ist so etwas nicht erwähnt, anders als in den anderen Rundfunkgesetzen. Droste rät, im Grundgesetz danach zu suchen – Fehlanzeige.
Eva-Maria Lemke-Schulte, Vorsitzende des Rundfunkrats von Radio Bremen, sagt: „Ich kann nicht sehen, was an den Übertragungen nicht korrekt sein sollte.“ In manchen Rundfunkgesetzen steht das Senderecht für die religiösen Sendungen im selben Absatz wie Spots der Parteien zur Wahl. Zum Beispiel beim Bayerischen Rundfunk. Und doch kam bisher niemand auf die Idee, auch den Parteien die Produktion ihrer Sendungen abzunehmen.
Kosten bleiben im Dunkeln
Die Frage der Kosten für Gottesdienste lassen die Sender gern im Dunkeln. Der NDR hat als einziger Sender der Redaktion ihres Medienmagazins „Zapp“ konkret auf die Frage nach den Kosten geantwortet. Demnach schlage eine Übertragung mit 30.000 bis 65.000 Euro zu Buche – es bleibt unklar, was dabei mitgerechnet ist. Beim ZDF dürfte es ein erheblich höherer Betrag sein. Für die sonntäglichen TV-Gottesdienste geht den Kirchen eine eigene Redaktion des ZDF zur Hand. Gelegentlich reist die Übertragungscrew zum Gottesdienst auch ins Ausland, etwa nach Namibia und Brasilien.
Bei den Sendern verweist man einerseits auf die lange Geschichte der kirchlichen Radio- und Fernsehsendungen. Die Kirchen hätten in den 1950er Jahren die Produktionen selbst gar nicht stemmen können. Die Sender hätten zudem ein Interesse, eine optische und akustische Qualität der Übertragungen sicherzustellen, sagt Olaf Droste. Eine weitere Begründung für die Eigenproduktion gab der zuständige ARD-Beauftragte Uwe Bork den „Zapp“-Leuten: Man habe sonst keinen Einfluss mehr, „wenn wir einen Ort, einen Inhalt oder einen Prediger nicht haben wollten.“ Im Umkehrschluss: Die Sender sehen sich als mitverantwortlich für kirchliche Botschaften.
Prüfen? Gute Idee!
Dabei hält in den Rechnungshöfen mancher auf Nachfrage eine Kostenprüfung der Gottesdienstübertragungen für gar nicht so abwegig. Man habe einfach nur „noch nie darüber nachgedacht“. Doch selbst wenn tatsächlich etwas geschähe: Ergebnisse würde man erst aus den Jahresberichten ab 2015 erfahren.
Zudem: Während der Bayerische Rechnungshof auch den Landtag und damit öffentlich informiert, darf sein Gegenstück in Nordrhein-Westfalen nur dem Sender selbst berichten, es sei denn, eine Frage bliebe strittig. Bis auf Weiteres werden also die Öffentlich-Rechtlichen (Jahresumsatz: rund 7,5 Milliarden Euro) die Kirchen begünstigen – die übrigens rund 2,5 Milliarden Euro mehr im Jahr umsetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“