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Google in BrasilienKnast für ein Video

Der brasilianische Google-Chef soll ins Gefängnis – weil er ein Youtube-Video nicht entfernen will. Die Neutralität des Konzerns wird immer öfter in Frage gestellt.

Berufsrisiko für Suchmaschinenmanager? – Google sieht sich wegen seiner Inhalte inzwischen auch der Strafverfolgung ausgesetzt. Bild: ehexn/photocase.com

BERLIN taz | Ein brasilianisches Gericht will den Google-Landeschef für ein Video haftbar machen, weil Google es nicht von seiner Video-Plattform YouTube verbannt hat. Die Verunglimpfung eines lokalen Bürgermeisters ist darauf zu sehen. Der Konzern hat Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt.

Die deutsche Ex-First-Lady Bettina Wulff möchte bestimmte Worte nicht mehr mit der Suche nach ihrem Namen verbunden wissen. Der Suchmaschinen- und Werbekonzern sagt: wir liefern eigentlich nur Technik, für die Inhalte sind die Nutzer zuständig und verantwortlich – vor den Algorithmen seien alle gleich. Doch stimmt das überhaupt?

Google ist für seine Suchmaschine bekannt, die fast jeder deutsche Internetnutzer als Standard für seine Suchanfragen benutzt. Das Prinzip: Google schickt kleine Programme los, die sich von Link zu Link quer durch das Internet hangeln und riesigen Datenbanken hinterlegen, was sie vorgefunden haben. Wenn ein Nutzer die Google-Website ansteuert und etwas sucht, wird geschaut, was zu dieser Suchanfrage passen könnte. Was als passend gilt, was wie gewichtet wird, das bestimmt Googles eigene Logik, Algorithmen, anhand derer die Datenbankabfragen durchgeführt und für die Nutzer dargestellt werden.

Wahrnehmung der Welt mit Googles Augen

Die Gründer Lawrence „Larry“ Page und Sergej Brin schrieben ihre Doktorarbeit zu eben solchen Suchalgorithmen. Genau hierin steckt Googles Stärke, möglichst relevante Treffer für die Suchanfragen zu produzieren. Wie diese genau aussehen, verrät Google allerdings niemandem. Manchmal ändert Google etwas. Und Seiten, die vorher in Suchergebnissen vorne auftauchten, landen plötzlich weiter hinten. Google ist der Suchschlitz, dessen Ergebnisse unsere Wahrnehmung der Welt maßgeblich beeinflusst. Doch ist er auch neutral?

Googles Logik wurde seit der Gründung schnell besser: immer mehr Faktoren wurden darin eingebaut. Worauf haben Nutzer geklickt? Menschliche Interaktion ist ein Faktor, den Google auswertet und bei künftigen Anfragen verwendet. Versuchen Websites, Googles Logik unzulässig auszunutzen? Spammer werden von Google schlechter bewertet. Hat sich der Nutzer vertippt? Google bietet die vermutlich gemeinte Alternative an. Wer nach einem Wort gesucht hat, meinte vielleicht wie andere Nutzer auch ein zweites – Google schlägt dies dann vor, wie bei Bettina Wulff.

Google schraubt immer wieder und immer stärker an seinen Algorithmen. So wurden 2012 auch Copyright-Verstöße, die sogenannten DMCA-Benachrichtigungen, als Faktor für die Gewichtung von Ergebnissen eingeführt. Und in eigenen Tools wie GoogleInsights, mit dem man die Trends der Suchabfragen nachschauen kann, gibt es Sperrlisten für Worte aus bestimmten Bereichen, beispielsweise des Jugendschutzes.

Grundsätzlich nicht verantwortlich

Vor Gericht sind in Demokratien in der Theorie alle gleich – doch vor Googles Algorithmen sind alle so gleich, wie Google es für richtig hält. Und das vor allem aus einem Interesse: möglichst ungestört den eigenen Geschäften nachgehen zu können. Google selbst betonte lange Zeit, dass man nicht Polizei, Staatsanwalt und Richter zugleich sein wolle. Das ist die alte Grundidee, die in Europa auch gesetzlich fixiert ist: Anbieter von Leitungen, von Plattformen und von Speicherplatz im Netz sind grundsätzlich nicht haftbar für das, was ihre Nutzer treiben. Entsprechend wies Google jede Verantwortung für Suchtreffer, für bei dem Konzern gespeicherte Inhalte und für die Inhalte bei Seiten, die über Google erreichbar sind, stets weit von sich.

Doch diese Position hat die Firma durch ihre vielfältigen Eingriffe selbst aufgeweicht. Das Gerichtsurteil aus Sao Paulo, gegen das Google Berufung angekündigt hat, ist die logische Konsequenz dieses Schlingerkurses: wenn Google eben doch immer wieder und aktiv in das eingreift, was die Nutzer zu sehen bekommen, warum sollte es dann nicht auch bei einem angeblich verleumderischen Video genauso eingreifen können? Das Gericht warf Google Untätigkeit vor.

Tatsächlich sind alle Eingriffe bei digitalen Inhalten immer nur Versuche, da die Informationen leicht verändert neu veröffentlicht und nicht mehr als das Gleiche erkannt werden können. Doch wohin führt diese Idee? Google wird auch weiterhin auf den kostengünstigsten Weg setzen. Und der könnte am Ende heißen: alles sperren, was irgendwie Ärger bedeuten könnte. Damit würde einer der größten Errungenschaften des Netzes in Frage gestellt – was überaus bedauerlich wäre.

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1 Kommentar

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  • J
    Jörn

    Die Justiz eines Landes will sich nicht damit abfinden, dass die im Inland verfügbaren Inhalte nicht durch sie kontrollierbar sind.

    Diese Kontrolle wollen Diktatoren in aboluter Weise - doch auch in Demokratien sind Eingriffe in die Pressefreiheit an der Tagesordnung.

    Auch das Linke Spektrum verlangt bei rechtsradikalen oder kinderpornographischen Inhalten eine solche Zensur. Nur die Piraten wollen die Informationsfreiheit nicht einschränken.

    In Deutschland sperrt Google auf Anfrage schon längst massenhaft Inhalte. Da das Video auf Aufforderung nicht gesperrt worden ist, wäre die Rechtslage in Deutschland nicht anders.