Goldförderung in Kolumbien: Der Fluch der gelben Nuggets
10.000 Förderkonzessionen gibt es in Kolumbien, aber nur 40 zuständige Beamte. Zu Besuch auf einer Goldfarm, die den Umweltschutz erstmals ernst nimmt.
PUERTO LIBERTADOR taz | Ariel Hernández streift den Taucheranzug über, klemmt sich den Schlauch in den Mund und springt in das bräunliche Wasser des San Pedro. Wenig später signalisiert ein Ziehen an der Leine, die ihn mit dem Kollegen an Bord des Schwimmbaggers verbindet, dass es losgehen kann.
Der Saugstutzen unter der Wasseroberfläche ist an Ort und Stelle. Kollege Mario Montes lässt den Motor aufheulen, und ein dicker Schwall ockerfarbenen, mit Geröll versetzten Wassers ergießt sich über die große rechteckige Fläche: das Sieb des Schwimmbaggers. Draga heißen die Ungetüme, die von je drei Männern bedient werden: einem Taucher und zwei Kollegen, die das röhrende Dieselaggregat und das rüttelnde Sieb bedienen.
Acht dieser schwimmenden Schürfmaschinen sind auf der Hacienda Orisava im Einsatz. Die Farm befindet sich nur ein paar Kilometer vor dem Ortseingang von Puerto Libertador. Die Provinzstadt im Norden Kolumbiens ist eines der Zentren des informellen Goldbergbaus in Kolumbien.
Etliche Dutzend kleine Bergbauunternehmen schürfen entlang der beiden Flüsse in der Region, des San Pedro und des San Jorge, und verwandeln die grünen Weide- und Waldflächen in Ufernähe in eine Mondlandschaft. "Puerto Libertador ist schon seit mehreren Dekaden eine Bergbaustadt.
Auch Deutschland bezieht immer mehr Rohstoffe aus Ländern wie Peru oder Kolumbien. Dort werden die Rohstoffe unter oft fragwürdigen Bedingungen abgebaut. Die Vertreibung von Dorfgemeinschaften zugunsten der Kohleförderung in Kolumbien ist dafür genauso ein Beispiel wie die Kupferförderung in Peru. In Peru sind zurzeit rund 200 Konflikte im Kontext des formellen wie informellen Bergbaus registriert, berichten Nichtregierungsorganisationen wie Cooperación.
Darauf und auch auf die Verantwortung der Importeure macht die Fachtagung "Rohstoffe aus dem Andenraum. Wer trägt die Verantwortung für die Folgen des Bergbaus in Kolumbien und Peru?" aufmerksam: am 26. Oktober in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin, 13 bis 19 Uhr.
Zwar gibt es offiziell nur eine größere Mine, aber dafür unzählige inoffizielle, die extreme Umweltschäden hinterlassen", erklärt Javier Arroya. Der großgewachsene junge Mann ist Umweltexperte der kirchlichen Kinderrechtsorganisation Benposta. Die hat eine Zweigstelle in Puerto Libertador und ein Arbeitsschwerpunkt liegt in der Beratung von informellen Bergbauunternehmen.
"Wir wollen sie davon überzeugen wiederaufzuforsten und den Einsatz von Quecksilber zu reduzieren", erklärt Javier Arroya. Der ist heute mit zwei Kollegen gekommen und erklärt José Márquez und einigen seiner Arbeiter die Pläne zur Wiederaufforstung am Laptop. Márquez, ein stämmiger Mann mit Schnauzer und Baseballkappe, betreibt die kleine Mine seit 18 Monaten.
Seit nunmehr 15 Jahren schürft er in der Region im Departamento Córdoba. Der Verwaltungsbezirk gehört zu den gefährlichsten Kolumbiens. Hier ist nicht nur das Stammland der Paramilitärs, hier verlaufen auch strategisch wichtige Schmuggelrouten für Kokain und Waffen. Abseits der größeren Städte ist der Staat nur sporadisch präsent, wie selbst Behördenvertreter in Montería, der Hauptstadt der Region, ohne Zögern zugeben.
Folgerichtig werden die Minen und deren Erträge an dem gelben Metall auch nicht vom Staat, sondern zumeist von den Paramilitärs besteuert. In Puerto Libertador ist das ein offenes Geheimnis, doch zugeben will das auch José Márquez nicht.
Kontrolle gibt es nicht
"Beamte oder Behördenvertreter, die das Treiben der Bergbauunternehmen kontrollieren, Umweltauflagen verfügen und die Renaturierung einleiten, gibt es nicht", klagt Javier Arroya. Deshalb hat er gemeinsam mit drei Mitstreitern der Kirchenorganisation den ersten Renaturierungsplan in der Region erarbeitet.
Mehrere tausend Bäume will er auf dem Areal, welches von José Márquez und den rund sechzig Familien, die mit ihm und für ihn arbeiten, in etwa drei Jahren ausgebeutet sein wird, anpflanzen lassen.
"Finanzieren werden das die Bergleute, und auch der Betreiber, ein Unternehmer aus Medellín, wird sich daran beteiligen. So lautet die Abmachung", erklärt Javier Arroya. In der Umgebung von Puerto Libertador ein einzigartiges Projekt, denn Wiederaufforstung ist dort bisher ein Fremdwort.
Es gibt doch genügend Regenwald und Weideland, lautet ein gern verwandtes Argument der Einheimischen. Das stimmt vielleicht für die Region, aber in Kolumbien wird angesichts des Booms des Goldpreises in immer mehr Regionen nach Gold, aber auch nach Rohstoffen wie Nickel, Kupfer oder Kohle gefahndet.
Regierung fördert den Goldrausch
"Der Run auf neue Lagerstätten ist in vollem Gange, und Kolumbien hat einiges zu bieten", sagt der Geologe Julio Fierro. Der Wissenschaftler hat bis vor ein paar Jahren das Umweltministerium beraten und steht dem Bergbauboom in seinem Heimatland kritisch gegenüber.
"Das erklärte Ziel der Regierung von Juan Manuel Santos ist es, Kolumbien zu einem Bergbauland zu machen. Investoren werden die Türen geöffnet, aber wir sind darauf gar nicht vorbereitet", klagt der kleine Mann von Ende vierzig. Gerade 40 Beamte hat die zuständige Kontrollbehörde im Ministerium. "Wie soll sie denn den Wust von rund 10.000 Förderkonzessionen in allen Landesteilen kontrollieren?", fragt Fierro.
Experten wie der ehemalige Umweltminister Manuel Rodríguez Becerra pflichten ihm bei. "Wir brauchen Kontrollinstanzen, die den Namen auch verdienen, denn schließlich stehen zentrale Ressourcen auf dem Spiel. Das Risiko, dass der Bergbau unsere Süßwasserdepots kontaminiert, ist immens", sagt Rodríguez Becerra, Professor an der renommierten Universität de los Andes in Bogotá.
Das Süßwasserproblem droht nicht nur rund um Puerto Libertador. "Quecksilber wird in erheblichen Mengen eingesetzt, um das Gold vom Gestein zu trennen", erklärt José Márquez. Es bindet nämlich das Gold und bildet mit ihm Amalgam, das wiederum zu Boden sinkt auf den Grund eines entsprechenden Gefäßes. Wenn man dann die Masse erhitzt, verdampft das Quecksilber - und das Gold bleibt zurück. Die Dämpfe sind extrem giftig.
Márquez, Vater von fünf Kindern, von denen drei im Bergbaucamp leben, gibt ihnen möglichst viel Obst zu essen, um der schädigenden Wirkung des Quecksilbers zu begegnen. Außerdem benutzt er spezielle Matten, um das Quecksilber aufzufangen, wenn er das Gold von den Gesteinsresten lösen will, das seine Männer mit den Dragas aus dem Untergrund schwemmen. Rund sechzig Familien leben insgesamt auf der Hacienda von der Goldsuche und fördern jeden Tag etwa 160 Gramm des Edelmetalls.
Quecksilber verpestet Böden und Flüsse
Das Quecksilber ist in vielen Regionen Kolumbiens längst zum Problem geworden. Laut Angaben der Vereinten Nationen ist Kolumbien eines der Länder mit der höchsten Quecksilber-Kontaminationsrate weltweit. Jedes Jahr verschwinden fünfzig bis einhundert Tonnen Quecksilber in den Böden und Flüssen Kolumbiens durch die Goldsuche, berichtet Marcello Veiga von der UN-Organisation für industrielle Entwicklung (Unido).
Quecksilber ist in Kolumbien überall vorhanden und wird deshalb in Bergbauregionen wie Segovia, Remedios oder Puerto Libertador in erheblichen Mengen eingesetzt. Bemühungen, die Mengen zu reduzieren, sind als Fortschritt zu werten. Doch das allein reicht nicht aus. "Wir müssen unsere Wasserquellen besser schützen", mahnt der ehemalige Umweltminister Manuel Rodríguez Becerra und fordert mehr Kontrollen.
Zwei Millionen Menschen gingen immerhin im Frühjahr 2011 auf die Straße, um die Goldförderung durch einen kanadischen Konzern in der Nähe der Stadt Bucaramanga zu verhindern. Dort hätte im offenen Tagebau auf knapp 3.000 Meter Höhe nahe einem für die Wasserversorgung wichtigen Schutzgebiet, des Páramo de Santurbán, Gold gefördert werden sollen - doch die Gerichte verweigerten dem Konzern die Lizenz zur Inbetriebnahme. Zuvor waren allerdings die Konzessionen bewilligt worden, obwohl bekannt war, dass es sich um eine sensible Region handelt, klagen Experten wie Fierro oder Becerra.
Keine Entschädigungen
Klare Regeln und Kontrollen - so lautet die zentrale Herausforderung für Umweltschützer und lokale Politiker, denn die Investoren haben schon zu oft Vorrang vor den Rechten der regionalen Bevölkerung gehabt. So wurden für den Ausbau der größten Steinkohlemine Lateinamerikas, El Cerrejón, mehrere Dörfer zwangsgeräumt. Bis heute warten die Dorfgemeinschaften auf Entschädigungen, während die drei internationalen Bergbaugesellschaften immense Gewinne einfahren.
Doch auch im Nachbarland Peru häufen sich die Proteste gegen die Folgen des Bergbaus. Wasserverschmutzung und das Konkurrieren von Bergbau und Landwirtschaft um das oft knappe Nass sind dort prägende Themen. Über zweihundert Konflikte im Kontext des Bergbaus haben Umwelt- und Sozialorganisationen in Peru registriert.
In Kolumbien sind es noch nicht ganz so viele. "Doch angesichts des Tempos, das die Regierung Santos beim Ausbau des Bergbausektors anschlägt, kann sich das schnell ändern", warnt Julio Fierro. Der Widerstand in Bucaramanga oder Initiativen wie die in Puerto Libertador zeigen allerdings, dass die negativen Seiten des Bergbaus wahrgenommen werden. Ob das positive Beispiel der Hacienda Orisava allerdings Schule machen wird, muss sich noch zeigen.
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