■ Rodel-Hockey: Gold für Schweden
Lillehammer (taz) – Es war wie zweieinhalb Wochen vorher in der Håkon-Halle: Auch in Lillehammers Kristin-Halle stand es im Eishockey-Finale nach Ablauf der regulären Spielzeit Unentschieden. In der Verlängerung gelang den Schweden der entscheidende und einzige Treffer des gesamten Spiels. Paralympic-Gold für Schweden im Rodel-Eishockey.
Über ihre Silbermedaille waren die Norweger nicht furchtbar traurig, eingedenk des ruhmlosen letzten Platzes, den ihre Eishockeycracks bei der „richtigen“ Olympiade eingefahren hatten. Das Publikum in der mit 2.500 Zuschauerinnen und Zuschauern voll besetzten Halle jedenfalls war begeistert mitgegangen, und über die Direktübertragung durch das norwegische Fernsehen dürfte ein größeres Publikum erstmals miterlebt haben, wie Rollstuhlfahrer auf ihren rodelschlittenähnlichen Geräten sich einen packenden Kampf um den Puck liefern können.
Auch Rolf Johannson, mit 50 Jahren Senior der schwedischen Mannschaft, hofft auf den Werbeeffekt dieses Spiels: „Es fehlt an Nachwuchs, was man wohl deutlich an mir sieht. Aber es ist eben auch nicht so einfach, sich einsam über stundenlange monotone Trainingsrunden auf das Leistungsniveau hochzuarbeiten, das diese Sportart verlangt.“ Johannson selbst ist Allroundsportler, war schon bei fünf Paralympic-Sommerspielen dabei und konnte insgesamt elf Medaillen erringen. Bisher allerdings nur eine goldene: im 100 Meter Rollstuhlfahren bei den Spielen von Toronto 1976. Bei den Winterspielen machte er zum ersten Mal mit, denn Rodelhockey stand bisher noch nie auf einem Paralympic-Programm.
Rolf Johannson, seit Kindheit aufgrund Polio an beiden Beinen gelähmt, gilt zusammen mit Bengt- Gösta Johannson als „Erfinder“ des Spiels: „Gösta war 15, als wir uns kennenlernten. Er hatte gerade beide Beine ab von einem Motorradunfall im Seitenwagen. Wir experimentierten mit alten umgebauten Rodelschlitten und abgesägten Eishockeyschlägern.“ Rodelhockey wird in Skandinavien nur von einem kleinen Kreis Aktiver gespielt. Doch Johannson hofft jetzt auf kanadische Zustände: „Dort gibt es eine eigene Rodelhockeyliga mit 20 Mannschaften. Und jeder NHL-Klub hat seine Rodelhockeyabteilung für die Rollstuhlfahrer. Der ganze Behindertensport könnte gewinnen, hätten wir nur einen Teil solcher Voraussetzungen im Vereinssport.“Reinhard Wolff
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