: Görings Mercedes
Bis ich berühmt bin“: In diesem Jahr wäre Gustaf Gründgens100 geworden. Zwei Berliner Ausstellungen gehen in die Details
Seine Lieblingsrolle spielte er durch verschiedene Gesellschaftssysteme hindurch. Ironie des Schicksals, dass Gustaf Gründgens 1963 wie Hamlet aus dem Leben schied. Sterben, schlafen, nichts mehr wissen: Er nahm eine Überdosis Schlaftabletten.
Das Schwule Museum widmet Gründgens aus Anlass seines 100. Geburtstages am 22. Dezember eine Hommage. Ein Leben als Spiel undDoppelspiel: „Der Führer mag G. G. nicht“, vertraute Göbbels 1941 seinem Tagebuch an, „er ist ihm zu unmännlich.“ Da nützte auch die Ehe mit Marianne Hoppe nicht viel.
Der Volksmund reimte treffend: Hoppe hoppe Gründgens / Die kriegen keine Kindgens / Und wenn die Hoppe Kindgens kriegt / dann sind sie nicht von Gründgens.“ Der Spruch steht auf einem Fußabtreter, der in der Ausstellung zu sehen ist.
Gründgens führte ein Leben zwischen künstlerischer Genialität und tabuisiertem Triebschicksal: Opportunist und Karrierist, Freund von Emmy Göring und Beschützer von Kollegen während der Nazizeit. Die Schau im Schwulen Museum fällt kein Urteil über Gründgens, beleuchtet aber sein doppeltes Spiel, ausgeschmückt mit einigen weniger bekannten Details. Wer weiß zum Beispiel schon, dass sich der eitle Mann zuletzt für seine Hamlet-Rolle liften ließ? Oder dass Gründgens ein besessener Sammler war, der sämtliche Zeitungsartikel über sich archivierte? Schon mit achtzehn Jahren schrieb er auf die Rückseite eines Porträtfotos: „Zum Aufbewahren, bis ich berühmt bin.“
Im letzten Jahr erwarb die Staatsbibliothek den gesamten schriftlichen Nachlass Gründgens’ von dessen Adoptivsohn Peter Gorski: 70 Archivmeter Material, darunter die komplette Korrespondenz aus den Jahren 1947 bis 1963. Briefpartner waren Dürrenmatt, Satre, Orff, Augstein und viele andere. Die bislang unveröffentlichten Unterlagen lassen eine wissenschaftlich zeitgemäße Beschäftigung mit G. G. zu. Theaterwissenschaftlerin Dagmar Walach hat nun eine erste Auswahl getroffen, die in einer Ausstellung der Staatsbibliothek und einem Katalogbuch zu begutachten ist. Da lässt sich etwa eine Aktennotiz über ein Gespräch mit Göring finden, der Gründgens 1934 zum Intendanten des preußischen Staatstheaters berief – und ein Schreiben, in dem fünf Jahre nach dem Krieg eine Autoreparaturwerkstatt Gründgens Görings Mercedes zum Kauf anbot.
Gründgens war kein Gott, wenigstens nicht im realen Leben. Ihn plagten Selbstzweifel. 1960 schrieb er in einem Brief, wie beschwerlich es für einen Schauspieler ist, „unter den Augen der Öffentlichkeit älter zu werden“. Eine Aufnahme aus dem November 1962 zeigt ihn in seiner letzten Rolle als Prinz Philip in Schillers „Don Carlos“. Gründgens blickt gealtert an der Kamera vorbei und wirkt sehr müde.Andreas Hergeth
Schwules Museum, Mehringdamm 61, bis 20. Februar (Mi.-So. 14-18, Do. 14-21 Uhr)
Staatsbibliothek, Potsdamer Straße 33, bis 12. Februar (Mo.-Fr. 12-20, Sa. 10-17 Uhr)
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