■ Schöner Leben: Glückstreffer
So! Nun wird also auch dieser Freimarkt wieder abgebaut. Die sechste Bremer Jahreszeit, nach den vier üblichen und der Regenzeit. Besonderes Gesprächsthema aber in diesem Jahr: 50 Jahre danach! „Weißt du noch, der erste Freimarkt nach dem Krieg? Wir hatten ja nichts. Waren ja schon glücklich über eine Tüte kandierte Rattenfüße. Und die einzigen Karussells waren eine Wippe aus einem rostigem Panzerrohr und eine Schiffschaukel aus zwei zusammengeschraubten Zinkbadewannen. Aber schön war es doch!“ Glauben wir ja alles bereitwillig und auch gerne. Ischa Freimaak!
Schöner noch als all diese Märchen ist aber folgende Geschichte aus vergangenen Freimarktstagen. In dem Kuriositätenkabinett des Großen Maltasar, einem zaubernden Entertainer mit durchaus respektablem Unterhaltungswert, trat der Kunstschütze Billy Bang aus Boston auf. Ein irgendwie kleiner, schmächtiger Bursche mit leuchtend roten Haaren, schmissig hochgezwirbeltem Schnauzer und einem enorm langläufigen Ballermann, mit dem er jeden Abend pausenlos Äpfel auf Köpfen und Luftballons in der Luft erschoß. Sehr zum belustigtem Entsetzen des Publikums.
Sein größter Fan war Babsi Löpser, und ihr innigster Wunsch, den Kunstschützen einmal persönlich kennenzuler- nen. Was allerdings mit brausender Vergeblichkeit gescheitert war: BiIIy Bang scheute vor jedem Kontakt mit dem Publikum aus Angst vor einem Attentat zurück, und er wußte jede in diese Richtung laufende Unternehmung höchst geschickt zu verei- teln. So erhielt er eines Tages denn einen bitterbösen Brief von der enttäuschten Babsi, in welchem sie ihre Fanschaft mit sofortiger Wirkung aufkündigte und weiterhin erklärte, daß sie von nun an eine andere Berühmtheit zu treffen versuche. Billy Bang, wie jeden morgen am Frühstückstisch zwischen all seinen Schaustellerkollegen, vermerkte daraufhin lakonisch, aber wie immer treffend, daß auch er sehr lange gehraucht habe, bis er einigermaßen treffsicher gewesen sei. Da helfe eben nichts, als weiter tüchtig zu üben. Rolf Weber
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