piwik no script img

Glücksstädte-RankingIhr könnt uns anne Pumpe schmatzen!

Kommentar von Lilly Schröder

Die Ber­li­ne­r*in­nen gehören zu den unzufriedensten Großstädter*innen. Das ergab ein Glücksstädte-Ranking 40 deutscher Großstädte.

Obwohl Berlin viel zu bieten hat, sind die Haupt­städ­te­r*in­nen unzufrieden Foto: Christoph Soeder/dpa

W ir sind unzufrieden. Sonst wären wir schließlich keine Berliner*innen. Wer auf Blümchenwiesen frische Luft einatmen will, der soll nach Kassel gehen. Dort wird man am glücklichsten. Das behauptet zumindest das aktuelle Städteranking des Instituts für Demoskopie Allensbach. Und oh Wunder: Die Ber­li­ne­r*in­nen gehören demnach zu den unzufriedensten Großstädter*innen.

Für das Glücksranking wurden zwischen Januar 2021 und April 2024 rund 25.500 Ein­woh­ne­r*in­nen aus 40 Großstädten mit mehr als 200.000 Ein­woh­ne­r*in­nen befragt. Die Haupt­städ­te­r*in­nen landeten auf Platz 37. Noch unzufriedener als die Hauptstadt-Meckermäuler sind nur die Menschen in Wiesbaden, Karlsruhe und Rostock.

Dabei sieht das Leben für die Ber­li­ne­r*in­nen objektiv gar nicht mal so schlecht aus: eine gute Infrastruktur und Gesundheitsversorgung, Grünflächen und kurze Arbeitswege tragen zu einer hohen Lebensqualität bei. Gemessen an diesen objektiven Wohlfahrtsindikatoren müsste Berlin eigentlich Platz 25 belegen. Befragt wurde jedoch die subjektive Zufriedenheit. Und weil die Berliner Schnauze immer was zu meckern hat, landen die Haupt­städ­te­r*in­nen auf Platz 37.

Kassel ist die Stadt mit den zufriedensten Be­wohn­ne­r*in­nen

Die meisten Gute-Laune-Bären finden sich nach Kassel in Erfurt, Aachen und Kiel. Was die gut platzierten Städte gemein haben: sie sind klein und beschaulich, haben eine eher familiäre Atmosphäre, viele Grünflächen, gute Luftqualität und erschwingliche Mieten. Bei diesen Kriterien ist die deutsche Vize-Hauptstadt des Mietenwahnsinns wahrlich keine Anführerin.

Vorreiter sind wir trotzdem, denn „arm aber sexy“ war unsere Idee. Die Anführer-Städte befolgen das Motto abgewandelt unter „arm aber zufrieden“: Laut Studie ist keine der Top-Städte besonders wohlhabend, die Kaufkraft ist mittelmäßig und die Arbeitslosenquote nicht unbedingt gering. Die Menschen in den gut platzierten Städten sind laut Studie glücklicher, als sie nach objektiven Kriterien eigentlich sein müssten.

Die Au­to­r*in­nen der Studie betrachten Berlin nicht als Vorreiter, sondern als „Underperformer“. Der Rang 37 sei für Berlin besonders bitter, heißt es. Das schlechte Ergebnis kehre regelmäßig in den Erhebungen des „Glücksatlas“ wieder und wiederhole sich nun auch im Glücksstädte-Ranking

Bitter? Ihr könnt uns ma anne Pumpe schmatzen! Unzufriedenheit gehört hier zum guten Ton. Vielleicht schadet das schlechte Image auch gar nicht, um unsere Stadt vor weiteren Schwaben-Belagerungen zu schützen. Hier ist eh kein Platz mehr. Ein Grund mehr für die Ber­li­ne­r*in­nen, um endlich mal wieder ihre Unzufriedenheit rauszulassen, am besten auf der Mietendemo am Samstag.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Redakteurin für Feminismus & Gesellschaft im Berlin-Ressort Schreibt über intersektionalen Feminismus, Popkultur und gesellschaftliche Themen in Berlin. Studium der Soziologie und Politik.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Es ist nicht nur die Mecker-Mentalität.

    Es sind ganz konkrete, greifbare Missstände.

    Es ist die Flut von Graffiti und Müll, die Verlotterung des öffentlichen Raumes, die Tatsache, dass in Berlin alles von einer rücksichtslosen, kleinen Minderheit verdorben wird - und vor allem die Tatsache, dass das von einer noch kleineren Minderheit als "berlintypisch" und irgendwie liebenswert verklärt wird.

    Und zwar von einer Minderheit, die gar nicht aus Berlin kommt. Alle Menschen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, die inzwischen sagen, dass sie Berlin ankotzt und dass sie wegziehen wollen, sind Urberliner. Die einzigen, die immer noch so tun, als sei es irgendwie cool, wenn eine Skulptur im Park durch Tags beschmiert wird und jahrelang nicht gereinigt wird, sind Zugezogene. Unter anderem aus Kassel.

    • @Suryo:

      Sind die "kleine" rücksichtslose Minderheit vielleicht die Party People, die Berlin leider so lieben? Amazing Berlin...

    • @Suryo:

      Nee, es ist nur die Meckermentalität, wie man ja auch hier im Forum sieht. Alles Sch ...

      • @Anna Bell:

        Nein, es gibt echte Missstände. Und die werden umso frustrierender, je öfter sie verniedlicht oder gar verherrlicht werden. Und je länger man das Gefühl hat, dass realer, völlig gerechtfertigter Unmut immer nur als „provinziell“ oder „nicht zu Berlin passend“ abqualifiziert und verlacht wird. Von Leuten, die fast immer gar nicht aus Berlin kommen.

  • Man suche ein anderes Land in der EU, wo man so erfindungsreich und inbrünstig über die eigene Hauptstadt lästert, mault, herzieht, wie in Deutschland: Die Öffentlichkeit schlürft bereitwillig die medial überwürzten Hauptstadtbashingsuchtgesöffe wie andere gewisse Getränke in schwarz.



    Wer hilft? Ich habe nirgendwo sonst derartiges gefunden.

    • @denkmalmeckermalmensch:

      In Italien gelten die Römer als aggressiv und unhöflich, in Frankreich die Pariser als arrogante Kotzbrocken, und in Großbritannien die Londoner als "twats". Auch die Madrider sind im Rest Spaniens unbeliebt.