■ Glosse: The winner is ...
Endlich hat die dröge Bezirksreform das bekommen, was ihr bisher fehlte: Farbe, Schmiß und Schmackes. Mit der gestrigen Begegnung mehrerer hundert Kreuzberger und Friedrichshainer auf der Oberbaumbrücke können die Politiker dieser Stadt endlich mal wieder einen Sieg verbuchen. Ihre Entscheidung, die beiden Bezirke zusammenzulegen, ist keine Zwangsvereinigung, sondern ein Volltreffer. Das zeigten gestern die Kreuzberger und Friedrichshainer.
Unter Führung der Kreuzberger Patriotischen Demokraten und der Anarchistischen Pogo-Partei haben sich die Kreuzberger in den letzten Monaten das Essen vom Munde abgespart und kiloweise stinkende Fische, faulige Tomaten und in Rote Beete getränkte Tampons den „Total Krassen Kreuzberger Gegnern“ in Wurfform überreicht. Die Ostler wiederum, die sich irgendwie noch nicht so richtig trauten, mit Nahrungsmitteln politischen Schindluder zu treiben, dankten's ihnen mit satten Wasserfontänen und wassergefüllten PDS-Luftballons. Nur zum Schluß trennten sie sich von einigen Kilogramm ihrer gelben Lieblingsfrucht. Die Kreuzberger wiederum antworteten mit Feuerwerfern und Freibier für Überläufer.
Jeder Erfolg war irgendwie auch eine Niederlage oder umgekehrt. Kaperten die einen ein Fahrzeug, nahmen die anderen Gefangene. Fair ging es auf jeden Fall zu. Jedem „Nie, nie mehr Kreuzberg“ folgte ein „Niemand ist gemeiner als ein Friedrichshainer“-Ruf. Jeder kam zu Wort. Zwei Stunden lang tobte auf der Brücke ein Kampf, der nicht nur die Bezirksreform eingeläutet hat. Er hat auch die Ebenbürtigkeit der beiden Bezirke bewiesen. Barbara Bollwahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen