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Gleichstellung im WissenschaftsbetriebFrauen nach oben spülen

Vor drei Jahren beschloss die Deutsche Forschungsgemeinschaft, in Führungsgremien müsse es so viele Frauen geben, wie in der Ebene darunter. Das klappt nicht so gut.

Unter Studierenden in der Mehrheit, darüber wird's dünn: Frauen in der Wissenschaft. Bild: dpa

BERLIN taz | Eine Kaskade ist ein Wasserfall, der über mehrere Stufen fällt. Bei einer Kaskade muss nicht zwangsläufig unten mehr Wasser sein als oben, es kommt darauf an, dass alles fließt.

Im Fluss halten wollen auch die Oppositionsparteien im Bundestag die Debatte um Geschlechtergerechtigkeit im Wissenschaftsbetrieb - und haben im April dieses Jahres eine Große Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Die Antwort liegt jetzt vor - mit einem Ergebnis, das nicht sonderlich verwundert: In den Universitäten, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und in den wissenschaftlichen Beratungsgremien der Bundesregierung gibt es seit Jahrzehnten mehr Männer als Frauen, vor allem an der Spitze.

Das kann man ändern, glauben die Fraktionen der SPD, Linken und Grünen, und zwar mit dem sogenannten Kaskadenmodell. Danach muss es nach einer bestimmten Frist in den oberen Führungsgremien der einzelnen Wissenschaftsbereiche so viele Frauen geben wie auf der Ebene darunter. So zumindest hat es die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) vor drei Jahren selbst beschlossen.

Damit wollte die DFG zwar eine feste Quote für die Wissenschaft vermeiden - und hat sich eine Art Flexi-Quote verpasst: Jede Uni, jedes Labor, jeder wissenschaftliche Beirat soll sich seine eigene Quote geben. Wie hoch die sein muss, ist de facto vorgegeben: durch die Statistik.

Gleichstellung "Ende des Jahrhunderts"

So betrug 2009 der Frauenanteil beim Bachelor an den Universitäten und Hochschulen knapp 52 Prozent. Diese Zahl sinkt mit jeder höheren Position: Bei den Promotionen sind es noch 44 Prozent Frauen, bei den C4-Professuren nur noch 18 Prozent und bei den Präsidenten und Rektoren ganze 11 Prozent. Insgesamt gab es 2009 ein paar mehr Frauen im Uni-Betrieb als noch einige Jahre zuvor. "Aber wenn es in diesem Tempo weitergeht, haben wir erst Ende des Jahrhunderts eine Gleichstellung", sagte Krista Sager (Grüne), Mitglied im Wissenschaftsausschuss des Bundestages.

"Der Charme des Kaskadenmodells liegt darin, dass alle sagen, dass es machbar ist", meinte Ausschussvorsitzende Ulla Burchardt (SPD). Selbst die Bundesregierung sieht den Stufenplan laut Antwort auf die Anfrage als "besonders geeignet" an, die Gleichstellung voranzutreiben. Dennoch: Das Ganze ist bislang weich formuliert, niemand kann haftbar gemacht werden.

Das wollen die Oppositionsparteien jetzt ändern. Und fordern verbindliche Zielquoten und Sanktionen, wenn die selbstgesteckten Quoten nicht erreicht werden. Aber auch das könnte schwierig werden, denn Bildung ist Ländersache. Deshalb kann der Bund den Wissenschaftsbetrieben auch nicht vorschreiben, wie er mit seinem weiblichen Personal umzugehen hat. Aber der Bund könnte, so schlägt es Ulla Burchardt vor, landeseigene Einrichtungen nur dann zu fördern, wenn sie tatsächlich die Kaskade mitmachen.

Übrigens: Eine Kaskade ist auch Kunststück im Zirkus, bei dem ein Absturz nur angedeutet wird.

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15 Kommentare

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  • H
    Horsti

    @ Klara:

     

    Geschlecht ist, ebenso wie Rasse und Hautfarbe eine biologisches Merkmal. Doch während es, zurecht, verpönt ist, Menschen bestimmter Rasse oder bestimmter Hautfarbe irgendwelche rechtlichen Vorteile zukommen zu lassen, scheint das beim Geschlecht nicht zu gelten. Das ist faschistisches Gedankengut, nur anders verpackt.

  • K
    Klara

    @ Horsti

     

    Wieso unterstellen Sie mir hier Rassismus? Wenn den Gegnern der Gleichberechtigung nichts anderes mehr einfällt, dann wird gleich unterhalb der Gürtellinie gekämpft. Dies zeigt doch nur, wie wichtig die eiserne Durchsetzung einer Quote ist.

  • H
    Horsti

    @ Klara:

     

    Wie wäre es mit Aufhebung des Kündigungsschutzes für Männer mit weißer Hautfarbe? So eine Maßnahme dürfte doch Ihrem Gedankengut bestens entsprechen...

  • K
    Klara

    Die Quote muss auf jeden Fall durchgesetzt werden, nur so kann das Ziel der absoluten Gleichberechtigung erreicht werden. Als erstes müssen in den Führungsetagen wenigstens 40% der Männer entlassen werden und die so frei gewordenen Stellen mit Frauen besetzt werden. Auch eine Lockerung des Kündigungsschutzes für Männer sollte überlegt werden, im Gegenzug kann dann der Kündigungsschutz für Frauen verschärft werden.

  • RP
    Rolf Pohl

    Wir brauchen unbedingt mehr Frauen in Führungspositionen, das ist klar. Nur mit weiblicher Sozialkompentenz kann der Klima-, Wirtschafts-, Demografie- und Finanzgau verhindert werden und gleichzeitig die Schulden des Staates abgebaut werden, denn Frauen arbeiten für 23 % weniger doppelt bis dreimal so viel wie Männer! Die weibliche Bescheidenheit lässt sie von Klagen absehen! Nebenbei wirken sich weibliche Kompetenzen auch auf das Betriebsklima überaus positiv aus. Die Herzlichkeit, die einem in frauendominierten Betrieben entgegenschlägt, ist umwerfend.

  • G
    Gast

    @alteLeserin: schön, dass es jemandem auffällt. An den C4-Professuren kann sich tatsächlich nichts mehr ändern, weil sie schlicht nicht mehr neu besetzt werden.

     

    Außerdem ist es auch spannend, dass man hier Äpfel mit Birnen vergleicht. Soweit ich weiß, braucht man in D eine Habilitation, um ordentlicher Professor zu werden. Da nützt es also wenig, die Quote an Dr.-Titeln mit dem Anteil von Frauen in Leitungspositionen zu vergleichen.

     

    Der Artikel ist aber ein schönes Beispiel für frauenfreundliche Argumentationsweise.

  • RS
    Rick S.

    Erfahrungen zur freiwilligen Frauenquote in einer Klinik:

    Der Vater eines guten Freundes ist dort Chefarzt. Laut seinen Angaben absolvieren in DE, viel mehr Frauen als Männer, das Medizinstudium. Das hat dazu geführt, dass er fast nur noch Ärztinnen unter sich hat. Und es hat sich Folgende Situation eingestellt:

    - Die Wahl der Arbeitszeit nach der Schwangerschaft (50-100%) fällt bunt aus(87%, 58%, 71%). Jede Mutter rechnet für sich die persönlich beste Zeiteinteilung aus, es ist nicht möglich unter den Frauen zu vermitteln sich anzupassen, damit wenigstens eine halbe Stelle geschaffen werden kann. Bei einer Klinik die Notfälle behandeln muss, ist das höchst kritisch.

     

    - Das Arbeitsklima ist sehr schwerfällig, weil die hochgebildeten Doktorinnen sich tatsächlich gegenseitig anzicken, dass hat mich am meisten beeindruckt.

     

    doch das beste zum Schluss:

    - Die Doktorinnen sprachen sich alle für eine Sache aus:

    Bloß keine weiteren Frauen mehr einstellen.

    Werde die Klinik nicht benennen, es soll aber kein Einzellfall sein.

     

    Ähnliches habe in einem TAZ Interview mit den Erfahrungen einer Gleichstellungsbeauftragten gelesen.

     

    Wir haben bei zu vielen Männern Rumprotzerei, während bei zu vielen Frauen gezickt wird. Die Mischung machst wohl.

     

    Zu Niels: Mit "bestimmten Menschenschlag" liegst du schon ganz gut. Der "Klassenstreber" ist in klarster Mehrheit männlich.

  • E
    emil

    das paradoxe ist ja auch, dass die wirtschaft nicht an frauenförderung und vereinbarkeit interessiert ist, sondern nur lücken füllen will, weil fachkräfte fehlen. das ist zwar legitim, verliert aber zackzack seinen ohwirtunwasfürfrauen-charakter.

     

    schon blöd, wenn man jahrhundertelang nur die hälfte der menschheit ausbildet und plötzlich personal fehlt...

  • N
    Nils

    Wie wäre es alternativ, wenn man Führungspositionen im Wissenschaftsbetrieb attraktiv für Frauen gestalten würde? Es tun sich derzeit vor allem Männer die Plackerei an, der es Bedarf, um sich in die Startpositionen der Wissenschaftskarriere zu bringen.

    Das soll nicht sagen, Frauen täten weniger! Ganz im Gegenteil! Aber erfahrungsgemäß meist auf anderen (vielleicht sogar klügeren und glücklicher machenden Wegen). Solange der Wissenschaftsbetrieb dazu tendiert, völlige Selbstaufgabe (und insbesondere Aufgabe von Privatleben/Hobbys und auch Familie) zu fordern, zieht er halt einen bestimmten Menschenschlag an - und der ist meist männlich.

    Vorschlag also: Die Krankheit bekämpfen, nicht das Symptom.

  • W
    Weihnachtsmann

    DFG = Deutsche ForschungsGEMEINSCHAFT und nicht Deutsche Forschungsgesellschaft wie sie das schreiben.

     

    Sollte man einen Artikel lesen, der nicht einmal seinen Gegenstand fehlerfrei benennen kann?

  • P
    PhD

    Auch eine Stunde später heisst's immer noch Deutsche ForschungsGEMEINSCHAFT...

  • A
    AlteLeserin

    Und der tägliche Reigen an Quotenartikeln geht weiter. Mal eine Frage, werden überhaupt noch C4-Professuren besetzt? Sollte das nicht alles bei den für die "Fragestellung" relevanten Neueinstellungen Wx werden? Dazu lese ich leider nichts im Artikel.

     

    Ansonsten ist doch alles gesagt - Frauen promovieren insgesamt etwas weniger. Die Zahl der habilitierenden Frauen unterschlagen sie ja einfach mal, denn wie die Promotion ist die Habilitation bekanntlich freiwillig und wäre damit ein guter Indikator, wie die Machbarkeit dieser Genderplanwirtschaft tatsächlich aussieht. Weiterhin hätte ich gerne mal eine geschlechtsbezogene Aufstellung der Wissenschaftsbereiche gesehen. Kann ja bei dem großen Interesse am Thema nicht schwer sein. Beispielkennzahlen Frauen in MINT-Studiengängen und Anteil MINT-Professuren deutschlandweit wäre spannend. Oder muss der Lehrstuhl für theoretische Eletrotechnik jetzt mit der promovierten Gender-Management-Soziologin besetzt werden, damit dem Quotendiktat genüge getan wurde?

  • B
    Betageuze

    Männer müssen etwas leisten, bei Frauen soll es also reichen, wenn sie es wenigstens probieren. Und Ihr wundert Euch, dass man Euch nicht wirklich ernst nimmt? In Deutschland mögt Ihr Eure Pöstchen bekommen, im Ausland wird man Euch auslachen. Und genau dorthin gehen mehr und mehr deutsche Männer. Grüße aus China.

  • D
    Doktorand

    DFG = Deutsche Forschungsgemeinschaft [!]

  • BH
    Banjo Hansen

    Artifiziell. Es gibt Lebensbereiche, in denen Frauen bei Weitem in der Überzahl sein, geht mathematisch ja nicht anders. Wie wäre es, wenn diese gesellschaftlich aufgewertet würden, anstatt immer nur auf die Chefetagen von Unternehmen zu glotzen!