Gleichstellung an der Uni: Das Seminar für Sado-Maso
HU-Studierende wollen Bondage-Kurse an der Uni abhalten, dürfen aber nicht.
Im Musikvideo zu Madonnas Nummer-Eins-Hit „Express Yourself“ räkelt sich die Sängerin nackt stöhnend mit einer Halsfessel aus Eisen auf einem großen Bett. Das Video hat 1989 für Aufregung gesorgt, aber auch den Zugang von Bondage-Sexpraktiken in die Popkultur und damit den Mainstream besiegelt. Dass Bondage im Jahr 2013 aber noch immer für Kontroversen sorgen kann, zeigt das derzeitige Geschehen an der Humboldt-Universität (HU).
Dort ist ein Antrag des Studierendenreferats für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans* und Inter (LGBTI), einen Bondagekurs in den Räumen der Uni wie üblich mietfrei zu genehmigen, auf Unverständnis gestoßen – ausgerechnet bei der Gleichstellungsbeauftragen des Präsidiums, Sandra Westerburg.
Die sadomasochistische Sexpraktik ist unter Schwulen und Lesben beliebt. Der Workshop sollte laut Ankündigung Vorurteile gegenüber dieser Praktik abbauen und einen Teil der LGBTI-Kultur sichtbar machen. Interessierte Studierende hätten den sicheren Umgang mit Fesseln beim Sex üben können.
Die Gleichstellungsbeauftragte jedoch argumentierte in einer Mail an das Studierendenparlament mit dem Hochschulgesetz: „Weder die Förderung der sozialen Selbsthilfe noch des Studierendensports oder die Wahrnehmung der kulturellen, fachlichen oder sozialen Belange der Studierenden“ deckten einen solchen Einführungskurs ab, schrieb sie. Bondage sei Privatsache und keine Hochschulpolitik.
100 Unterzeichner
Die Studierenden sahen das anders und haben einen offenen Brief geschrieben, den das LGBTI-Referats letzte Woche nach einem kontroversen Mailverkehr mit Westerburg veröffentlicht hat. Vorgeworfen werden ihr etwa antiquierte Vorstellungen und ein „vehementes Vorgehen“ gegen neue und selbstorganisierte Strukturen für LGBTI-Studierende. Zu den knapp 100 Unterzeichnern gehören mehrere ASten aus ganz Deutschland, Politiker und HU-ProfessorInnen.
Patsy Henze, der das LGBTI-Referat mitgegründet hat, sagte gegenüber der taz, kein anderes Referat habe bisher so eine Ablehnung von Seiten der Gleichstellungsbeauftragten erfahren. „Wir haben uns im Juli gegründet und schon ging‘s los.“ Die Position Westerburgs gegenüber LGBTI sei vorurteilsbelastet, vermutet er: „Es ist ja nicht so als hätten wir einen Darkroom eröffnen wollen.“ Bald stehe ein Gespräch mit dem Präsidenten der HU an, um das Thema noch einmal zu besprechen.
Als die HU vergangene Woche jedoch auch noch Heidi Klum – Model und Moderatorin der Casting-Show Germanys Next Top Model – die Nutzung ihrer Räume genehmigte, war der Unmut des LGBTI-Referat perfekt. Klum war gekommen, um eine Studentin zu überraschen, die für ihr mitunter als sexistisch betrachtetes Casting-Format ausgewählt wurde. Das LGBTI-Referat protestierte – nun hat Klum hochschulweites Drehverbot.
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