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„Glatt gelogen“

■ Iran-Affaire: Fragen an Minister Schmidbauer werden drängender

Berlin (AFP) – Die Berliner Justiz befürchtet nach Informationen des Berliner Tagesspiegel, daß das Bundeskanzleramt wichtige Informationen für den am Donnerstag beginnenden Prozeß um die Ermordung von vier iranischen Oppositionspolitikern in Berlin zurückhält. Der Vorsitzende Richter des Verfahrens, Frietjof Kubsch, verlangte in einem Schreiben an den Staatsminister im Kanzleramt, Bernd Schmidbauer (CDU), Aufklärung über bestimmte Äußerungen Schmidbauers zu dem Fall. Dieser hatte in einem Interview kürzlich zu dem als „Mykonos-Attentat“ bekannten Anschlag erklärt: „Wer die Details kennt, der kommt zu ganz anderen Ergebnissen.“ Nach Ansicht von Richter Kubsch läßt diese Äußerung „die Schlußfolgerung zu, daß Herrn Schmidbauer Erkenntnisse vorliegen, die für die Klärung des Hintergrundes der Ereignisse im Lokal ,Mykonos‘ von Bedeutung sein und zu anderen Ergebnisse führen könnten, als sie die Bundesanwaltschaft dem Senat mit der Anklage unterbreitet hat.“ Nach Ansicht der Bundesanwaltschaft steht hinter dem Mykonos-Attentat der iranische Geheimdienst, mit dessen obersten Dienstherrn, Ali Fallahjan, Schmidbauer vor zwei Wochen in Bonn geheime Gespräche geführt hatte. Die Anklageschrift stellt eine direkte Verbindung zwischen Fallahjan und dem Hauptangeklagten im Mykonos-Prozeß, Kazem Darabi, her.

Der Spiegel berichtet, bei dem Treffen zwischen Schmidbauer und Fallahjan seien im Gegensatz zur bisherigen Darstellung ganz konkrete nachrichtendienstliche Absprachen getroffen worden. Die Behauptung Schmidbauers, es sei nur um humanitäre Fragen gegangen, sei „glatt gelogen“, zitiert das Magazin einen deutschen Geheimdienstmitarbeiter. Das Treffen hatte Unmut erregt, weil es gegen einen Beschluß des EG-Gipfels in Edinburgh verstößt, wonach eine Verbesserung der Beziehungen zum Iran von dessen Einhaltung der Menschenrechte und der Rücknahme der Todesdrohung gegen Salman Rushdie abhängig zu machen ist.

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