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Giftige Dämpfe

■ „Gesucht wird ... Dioxin“, Reportage von Gert Monheim, ARD, 20.15 Uhr

Doch, es war angesagt damals. Kein Fußboden kam um ein imprägnierendes Duschbad herum, nachdem Dielen oder Parkett von fossilen Lackschichten befreit waren. Noch völlig betäubt von den Nebelschwaden, die das Abbeizmittel ausgedünstet hatte, griff mancher Heimwerker anschließend zum Kanister „Xylamon“ oder „Xyladecor“. Gegenüber den Chemiekeulen der Lackentferner roch dieses Holzschutzmittel richtig angenehm. Schließlich sollte Omas Küchenschrank in der WG-Küche dem Ansturm von Schimmel und Fäulnis standhalten und nach dem mühsamen Aufmöbeln nicht schon nach ein paar Monaten wieder alt aussehen.

Folgt man Gert Monheims Beweisführung, möchte man aufspringen und den Verantwortlichen des Herstellers an den Kragen gehen und den Möbeln mit der Axt zu Leibe rücken. Pentachlorphenol, ein Inhaltsstoff von „Xylamon“, entwickelt auch Jahre nach der Anwendung giftige Dämpfe, vermischt sich mit der Abluft im Zimmer, gelangt bei bestimmten Heizungssystemen in die Brennkammer und verwandelt sich unter den hohen Temperaturen zu Dioxin. Die Erkenntnis um die Gefährlichkeit des Stoffes ist so neu nicht; mit dem PCB -Verbot hat auch die Firma Desowag für ihr Spitzenprodukt „Xylamon“ einen anderen Chemiecocktail gemixt.

Viel interessanter ist die Kaltschnäuzigkeit, mit der die Desowag - zu besten „Xylamon„-Zeiten eine Bayer-Tochter das Zeug weiterhin vertrieb, obwohl den betriebseigenen Wissenschaftlern spätestens seit den siebziger Jahren (nach Unfällen bei BASF eigentlich schon in den fünfziger Jahren) klar war, wie giftig es ist. Gert Monheim legt Firmendokumente vor, die den Zynismus vollends entlarven: „Bei der Entfernung von PCP würden sich die Kosten des Fungizidanteils von 0,25 auf 0,60 DM erhöhen.“ Wie schon so häufig, bei der bewußten Vergiftung der Kunden spielen also auch hier ökonomische Überlegungen eine entscheidende Rolle.

Der WDR-Reporter Gerd Monheim, 1987 für seinen Film Gesucht wird... eine Todesursache mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet, sucht diesmal nicht nach dem spektakulären Fall, sondern bleibt der schleichenden, ständigen Verseuchung durch das Ultra-Gift auf der Spur. Im Allgäu stößt er auf eine Müllverbrennungsanlage, in deren unmittelbarer Nähe überdurchschnittlich viele Einwohner an Krebs, Allergien und Nervenleiden erkrankt sind. Einem Mediziner ist es gelungen, Dioxin als Auslöser dieser Krankheiten zu überführen.

Der Landrat bestreitet natürlich jeden Zusammenhang, weist den Verdacht, daß hier jahrelang dioxinbelasteter Sondermüll unkontrolliert in den Ofen wanderte, weit von sich.

Manchmal genügen einfachste Mittel, um das Gegenteil zu beweisen: Gert Monheim belädt seinen Anhänger mit Lackresten und PCP-haltigen Fensterrahmen - alles hochgradig giftiger Sondermüll - und fährt damit zur Müllverbrennungsanlage Kempten. Dreimal darf man raten, was bei der Annahme der Abfälle geschieht?

Christof Boy

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