Giffey, die EU und die Documenta: In die Torte kacken

Berlin fällt auf einen Deepfake-Klitschko rein. Außerdem: Große Documenta-Diskussion! Wer gewinnt – Menschenwürde oder Kunstfreiheit?

Bildschirm, der Franziska Giffey und den Deep Fake von Vitali Klitschko zeigt

„Giffey sprach mit falschem Klitschko, der wiederum mit falscher Doktorin“ Foto: Senatskanzlei Berlin/dpa

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Giffey sprach mit falschem Klitschko.

Und was wird in dieser besser?

Klitschko spricht mit falscher Doktorin.

Ukraine und Moldau werden EU-Beitrittskandidaten, der Westbalkan steht seit Jahren draußen vor der Tür. Geht es der EU gar doch um schnöde Machtpolitik statt Demokratie?

Die Türkei hat sich als ewige Kandidatin eher wegradikalisiert, Ungarn und Polen entwickeln sich in der EU aus der EU wieder raus. Also: Die EU macht nicht zwingend demokratisch – so wie Wackelkandidaten die EU nicht zwingend stabiler machen. Einzig sicher scheint, dass der Russe die EU nur noch als Samthandschuh über der Panzerfaust Nato sieht. Dies wissend darf man vermuten: Genau so sind die neuen Beitrittsofferten auch gemeint.

In der Debatte über die Documenta will die Generaldirektorin alle Kunstwerke prüfen lassen. Wie steht’s um die Kunstfreiheit?

Gut. Artikel 5 Satz 3 des Grundgesetzes (GG) ist die Wildcard der Verfassung: Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre dürfen alles, in den Geschmacksrichtungen weißer Kittel oder Narrenkappe. Das lässt sich Artikel 1 des GG – „die Würde des Menschen ist unantastbar“ – nicht bieten und bringt sich über den Artikel 130 des Strafgesetzbuches hintenrum doch noch in Stellung: Wer die Menschenwürde Einzelner oder Gruppen beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, macht sich strafbar. Diese Menschenwürde nun wieder! Der erwartet schwere Gegner! Eine Kuratorin, die hinterher mal checken will, wie es sich damit verhält, hat im günstigsten Fall keine Ahnung. Die Gruppe „Taring Padi“, die „jetzt erkennt, dass die Bildsprache im historischen Kontext eine spezifische Bedeutung bekommen hat“, malt offenbar SS-Runen auf Judenklischees, weil sie ca. Anfang 1933 das Denken eingestellt hat. Kunst darf alles. Auch jämmerlich erwartbar sein. Wie beim Kindergeburtstag in die Torte kacken und sich dann Freiheitsheld nennen.

Laut ARD-Deutschlandtrend ist eine Mehrheit der Deutschen für längere AKW-Laufzeiten. Auch für Kohleverstromung gibt es Zuspruch. Stellt das Kraftwerk Dortmund bald wieder auf Kohle um

Das Dortmunder Kraftwerk der RWE macht im September zu, den geplanten Neubau könnte man vorausschauend mit Wirbelschichtfeuerung aus grünen Parteiprogrammen planen. Faszinierend am „Deutschlandtrend“ ist besonders, dass die Leute Atom, Kohle und besonders den Grünen zusprechen, die die SPD deutlich überholen. Das ist ein klassisches politisches Paradoxon: Brandts Ostpolitik griff erst mit Zustimmung der Union, der rot-grüne Atomausstieg erst mit Merkels Doppelwende, und wenn irgendjemand Kohle und Atom wieder hochfahren kann, dann eben nur und ausgerechnet die Grünen. Krieg geht doch auch mit der Friedenspartei Grün am besten.

Deutsche Jugendliche trinken so wenig Alkohol wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Was wird jetzt aus den Boomern, die über die Jugend von heute schimpfen?

„Uns die Rente streichen und selber steinalt werden wollen! Ihr Egoschweinchen!“ Geht doch.

Der US-Senat hat das erste Mal seit rund 30 Jahren für ein leicht verschärftes Waffenrecht gestimmt. Was glauben Sie, sind die USA in 30 weiteren Jahren waffenfrei?

Das oberste Gericht – dank Trumps Personalpolitik nun ein Juristic Park – besteht nun mehrheitlich aus rechten Mumien, die munter urteilend ihre Lebensstellung durchkompostieren. Eben strangulierten sie das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren, und just zum neuen Waffengesetz lockerten sie das Recht, Waffen in der Öffentlichkeit zu tragen. Wer mit Trumps Abwahl einen Sieg der „checks and balances“ feierte, feierte zu früh.

Gibt es nach dem Parteitag in Deutschland noch eine Linkspartei? Und soll es sie geben?

Wagenknecht und Lafontaine entlüfteten die West-Linken, im Osten dröhnt die AfD als neuer Platzhirsch. Sozial- und Friedenspolitik wirken nicht wirklich unzeitgemäß in Krieg und Rekordverschuldung. Die Linke hat aber einfach kein Personal mehr, diese simple Botschaft überzeugend darzustellen. Vor fünf oder zehn Jahren wäre die Idee absurd gewesen, etwa im Osten Fraktionsgemeinschaften mit der SPD zu bilden. Nun wirkt es absurd, es nicht getan zu haben.

Und was machen die Borussen?

19.99 Euro für „BVB-Badeschlappen“ im Vereinsshop. Heim- und Auswärtsschlappen gibt’s gratis.

Fragen: Lale Artun, Alina Schwermer

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Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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