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„Gewohnheitsverbrecher USA“

■ Rolf Winter, ehemaliger Chefredakteur des Stern, referierte zum Golf-Krieg

„Der Golfkrieg — bewährte Politik des dicken Knüppels oder neue US-Strategie?“ lautete die Frage, die der Arbeitskreis Golfkonflikt des Dritte-Welt-Hauses Rolf Winter zur Diskussionsveranstaltung am Dienstag Abend in den Weserterassen vorlegte. Rolf Winter war früher Chefredakteur der Zeitschriften „Geo“ und „Stern“ und verbrachte viel Zeit in den USA. Seine Antwort war einfach: Die Bombardierung des Dritte-Welt-Landes Irak ist nichts Besonderes, die USA haben das schon immer so gemacht.

„Ich kann jetzt keine neue Qualität der imperialistischen Außenpolitik der USA erkennen“, sagte Rolf Winter vor 200 BesucherInnen. „Zwischen 1946 und 1975 haben die USA insgesamt 215mal im Ausland interveniert, darunter oft in Entwicklungsländern.“

Die einfache Erklärung, warum dies so sei, blieb Winter nicht lange schuldig. Die Vereinigten Staaten seien nach außen „Gewohnheitsbrecher des Völkerrechts“, weil sie im Inneren keine zivilisierte, sondern eine „Gesellschaft im permanenten Kleinkrieg“ seien. Das hätten schon die ersten europäischen Siedler, die Pilgerväter bewiesen: „Nachdem sie am Strand der neuen Welt auf die Knie gefallen waren, fielen sie auch bald über die Indianer her“, so Winter.

Eine halbe Stunde setzte Winter die Beschreibung der amerikanischen Brutalität fort: 60 Millionen Opfer der Sklaverei, mehr junge Schwarze im Knast als auf dem College, in Friedenszeiten pro Tag 807 Millionen Mark für die Aufrüstung — Gewalt im Inneren bringt Gewalt nach außen und Gewalt bleibt Gewalt.

„Sicher“, so Winter, „die Lage hat sich geändert, weil der Weltpolizist Sowjetunion den Weltpolizist USA nicht mehr einschränkt.“ Den neuen amerikanischen Frieden und die neue Weltordnung a la Bush beschrieb Rolf Winter mit dem Bild: „Der hungernde Rüde im Hühnerstall“.

Vielschichtiger war die Diskussion im Publikum. Ein Italiener, seit langen Jahren in der Bundesrepublik, fragte die „jungen Deutschen“: „Warum beugt Ihr Euch jetzt so vor Israel?“ Und ein anderer Mann aus dem Publikum ergänzte, Israel trage einen Teil der Verantwortung für die verfahrene Situation am Golf, weil es eine internationale Nahostkonferenz verhindert und an einem Frieden mit den Palästinensern nicht interessiert sei. Rolf Winter bedauerte, nicht mit Überzeugung gegen die israelische Politk argumentieren zu können. Seit der Reichspogromnacht 1938 empfinde er als Deutscher Scham gegenüber dem jüdischen Volk. Trotzdem kritisierte er die israelische Palästina-Politik scharf und wies darauf hin, daß die UNO bereits vor 23 Jahren Israel aufgefordert hätten, die besetzten palästinensischen Gebiete zu räumen. Winter: „Und ist die Weltorganisation jemals auf die Idee gekommen, diese Resolution mit Waffengewalt durchzusetzen?“ och

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