Gewerkschafter über die Not der Polizei: „Es fehlen 220 Polizisten“
Gerhard Kirsch, der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, warnt vor Überlastung der Hamburger Polizeistationen und zu vielen Großveranstaltungen.
taz: Herr Kirsch, in allen 24 Hamburger Polizeikommissariaten fehlen derzeit Beamte, um auf Streife zu gehen. Wie dramatisch ist die Lage?
Gerhard Kirsch: Die Situation ist nach wie vor sehr dramatisch. Wir haben schon jahrelang Personalmangel. Stand heute fehlen uns über 220 Polizisten allein in den Polizeikommissariaten. Hinzu kommt, dass dadurch Regenerationszeiten nicht mehr in Anspruch genommen werden können. Wir müssen uns sogar sehr bemühen, die Urlaubsquote aufrechtzuerhalten.
Was hat das für Konsequenzen für den Streifendienst?
Es ist heute schon gängig, dass Stadtteilbeamte mit auf Streife fahren, die sonst eher Kommunikationsaufgaben haben. Zusätzlich müssen immer häufiger Zivilfahnder in den Schichten aushelfen, die normalerweise Verbrechen nachspüren sollen. Für die Bürger bedeutet das, häufiger mal auf einen Streifenwagen warten zu müssen.
Warum ist das so?
Das sind jetzt die Sünden der Vergangenheit mit dem CDU-Senat an der Spitze. Die, die sich heute am meisten beschweren, haben den Grundstein für die Situation gelegt. Weil der damalige schwarz-grüne Senat die Einstellungen nicht kontinuierlich gefahren hat, sondern nur nach Kassenlage.
Inwiefern tragen Großevents zu diesem Problem bei?
Am Beispiel G20 kann man das deutlich machen. Für G20 hat Hamburg alles auf die Beine gestellt, was vollzugsdienstfähig war. Bei solchen Großveranstaltungen werden Alarmhundertschaften ausgerufen, die aus den Beamten der Polizeikommissariate gebildet werden. Die Schichten der Kommissariate werden dadurch deutlich reduziert und auf zwölf Stunden hoch gesetzt und es gibt noch weniger Verschnaufpausen.
193 Polizeibeamte fehlten am 1. August im Streifendienst. Das hat eine kleine Anfrage der CDU ergeben.
Auf den Wachen in Harburg und Bahrenfeld fehlten elf Beamte, in Rahlstedt, dem City-Kommissariat, Uhlenhorst und Winterhude waren acht Stellen weniger besetzt als vorgesehen.
Wegen dieses Personalmangels konnten im Juli insgesamt 184 Streifenwagen weniger ausrücken, als geplant.
Wie ist das mit anderen Großveranstaltungen?
Fahrradrennen wie die Cyclassics sind sehr arbeitsintensiv. Da sind unzählige Straßenzüge zu sperren und Kreuzungen zu überwachen. Das ist nur zu machen, indem wirklich alles auf die Straße geht, was noch verfügbar ist, bis hin zu den Innendienstabteilungen.
Sehen Sie in den letzten Jahren einen Anstieg an Großevents in Hamburg?
Ja, besonders die Sportveranstaltungen wie Triathlon, Cyclassics oder Ironman sind mehr geworden. Daneben sind die Fußballspiele vom HSV und von St. Pauli sehr personalintensiv. Es ist aber auch die wachsende Stadt Hamburg. Wir haben die letzten Jahre immer 20.000 Neubürger gehabt. Die Polizei jedoch ist gleich groß geblieben.
Darf die Polizei aus Personalnot Demos absagen?
Nein, das dürfen wir nicht. Alle Demonstrationen, die angemeldet sind, müssen wir auch sichern. Andere Veranstaltungen – wie den Ironman zum Beispiel – muss man im Kontext mit dem sehen, was die Polizei Hamburg leisten kann. Wir dürfen nicht vergessen, dass Großevents auch entsprechend gesichert werden müssen. Je mehr Veranstaltungen das sind, desto größer wird auch die Belastung der Polizei. Wir können nicht endlos Veranstaltungen hier durchführen und die Polizei einer Dauerbeanspruchung aussetzen.
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