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Gewerkschaften drohen mit Streiks

■ Widerstand gegen die Kürzung der Lohnfortzahlung angekündigt. Bonner Koalition erwägt beim nächsten Sparpaket weitere Einschnitte: Arbeitslose sollen in Zukunft jede Arbeit annehmen müssen

Bonn (dpa/taz) – Führende Gewerkschaftsvertreter haben nach der Verabschiedung des Sparpakets mit Streiks gedroht, falls die Arbeitgeber bestehende Tarifregelungen brechen. Ihr Widerstand richtet sich insbesondere gegen die 20prozentige Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die bereits am 1. Oktober in Kraft treten soll. Die Bundesregierung diskutiert derweil schon über weitere tiefe Einschnitte ins soziale Netz. So unterstrich Bundesgesundheitsminister Seehofer (CSU), daß die Sparbeschlüsse vom vergangenen Freitag nur ein „Minimalprogramm“ seien. „Wir müssen in den Bereichen Haushalt, Steuern, Kranken- und Rentenversicherung noch viel mehr sparen“, sagte er.

Der stellvertretende IG-Metall- Chef Walter Riester und die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer kündigten unterdessen Arbeitskämpfe an, wenn Tarifregelungen zur Lohnfortzahlung mißachtet würden. Der stellvertretende Vorsitzende der ÖTV Wolfgang Warburg sagte, die ÖTV werde sich gegebenenfalls mit Streiks wehren, wenn die Arbeitgeber die Tarifverträge kündigten. Und auch die Gewerkschaft Nahrung Genuß Gaststätten (NGG) und die Gewerkschaft Holz und Kunststoff (GHK) drohten mit Arbeitskampf.

IG-Chemie-Chef Hubertus Schmoldt sprach sich dafür aus, die Kürzung der Lohnfortzahlung tarifvertraglich zu „korrigieren“. Er riet in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung davon ab, gegen die Kürzung gerichtlich vorzugehen. Der Vorsitzende der IG Metall Klaus Zwickel rief unterdessen zur Abwahl der Bundesregierung auf. In einem Beitrag für die Leipziger Volkszeitung erklärte er, die Koalition habe sich auf die Seite der Reichen geschlagen. „Wer sich von solchen Volksvertretern nicht mehr vertreten fühlt, sollte daran denken, daß Regierungen abwählbar sind.“ Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) wies die Äußerungen Zwickels als „wirklichkeitsfern“ zurück. Nur mit Reformen könnten Arbeitsplätze geschaffen und Investitionen erleichtert werden.

Im Mittelpunkt des nächsten Sparpakets sollen die Sozialausgaben stehen. Bundesarbeitsminister Blüm (CDU) mußte nach Angaben der BamS zusagen, weitere 1,8 Milliarden Mark bei der Bundesanstalt für Arbeit (BA) einzusparen, vor allem bei Fortbildung und Umschulung. Vorgesehen sei auch, daß Arbeitslose künftig jede Arbeit annehmen müssen, sonst drohe Entzug des Arbeitslosengeldes. Wer das erste Angebot ablehne, solle drei Monate weniger Arbeitslosengeld bekommen, beim zweiten Mal gar nichts mehr. Die BA habe wegen zuvieler ausgezahlter Leistungen derzeit über sieben Milliarden Mark Außenstände. Laut BamS sollen diese Forderungen an Inkasso-Firmen abgetreten werden, um das Geld bei denen, die zuviel bekommen haben, wieder einzutreiben.

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