Gewaltvorfall im Kinderheim: Kein sicherer Ort

Der Vorfall im Kinderheim zeigt: Auch gut geführte Wohngruppen sind kein Paradies. Doch könnten Personalschlüssel besser und Gruppen kleiner sein.

Ein Kind hält einen Controller für Computerspiele in der Hand.

Der Streit im Kinderheim eskalierte beim Computer-Spiel Foto: Swen Pförtner/dpa

Es wäre nicht richtig, bei diesem Fall den Stab zu brechen. Sicher ist, die Wohngruppe hätte das Kind zur Abklärung der Verletzungen ins Krankenhaus oder zum Kinderarzt bringen müssen. Die Empörung des Vaters ist verständlich. Wenn der Staat sagt, er kann es besser, und das Kind erzieht, muss er für dessen Schutz sorgen und nicht von Unfall reden.

Doch auch die Reaktion der Erzieher, das weinende Kind zur Mutter zu bringen, scheint erst mal menschlich nachvollziehbar. Sie hätten beides tun müssen: Kind zum Arzt und zur Mutter. Aber dann waren da wohl auch noch die anderen Kinder und die Personaldecke am Freitagnachmittag nicht üppig. Die Aufmerksamkeit des Betreuers fehlte in einem wichtigen Augenblick. Schleswig-Holstein erlaubt Wohngruppen mit zehn Plätzen für Kinder von sechs bis 18 Jahre, schreibt dafür mindestens 4,6 Fachkräfte zuzüglich Ruf- und Nachtbereitschaft vor. Zehn ist viel und es gibt bessere Personalschlüssel.

Dass ein Kind durch ein anderes verletzt wird, lässt sich nicht zu 100 Prozent verhindern. Die Ausrichtung der Heime allein auf totale Sicherheit hätte negative Folgen für den Alltag. Trotzdem dürfte es nicht passieren. Der Fall macht deutlich, was schon länger in der Debatte ist: Dass eben die Herausnahme eines Kindes aus seiner Familie nicht alle Probleme löst; dass es immer eine schwierige Abwägungsentscheidung ist, was für ein Kind das Beste ist. Denn auch gut geführte Wohngruppen sind kein sicheres Paradies. Und wo Kinder, die jeweils ihren Kummer haben, zusammenkommen, können sich Probleme verstärken. Es können Erfahrungen sein, die Kindern schaden. Betroffen ist hier ja auch das Kind, das die Einrichtung verlassen musste.

Der Fall zeigt, dass es richtig ist, wenn Hamburg wohnortnahe Hilfen für Familien als Alternative zur Wohngruppe auf dem Land ausbaut. Und er zeigt auch, dass es Situationen gibt, in denen Familien, die Unterstützung des Jugendamtes bekommen, kompetenter agieren als die Profis. Ach ja, und die Erreichbarkeit der Hamburger Heimaufsicht ist ausbaufähig.

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Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.

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