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Gewaltverbrechen häufen sichKryptounternehmer im Visier

In der Kryptobranche werden immer wieder Menschen Opfer von Gewalttaten. Immerhin: Die Täter hinterlassen oft Spuren.

Krypto-Kriminalität: Die Täter kommen vorwiegend aus der organisierten Kriminalität (Symbolbild) Foto: imago

Berlin taz | Anfang Mai drängen Kidnapper in Frankreich einen Mann am helllichten Tag in einen Lieferwagen. Dann kontaktieren sie den Sohn des Entführten, einen wohlhabenden Kryptounternehmer – und fordern einen Millionenbetrag Lösegeld. Zwei Tage später befreit die Polizei das Entführungsopfer und nimmt die Tatverdächtigen fest. Ein Lösegeld wird nicht bezahlt – während seiner Zeit in Gefangenschaft trennten die Kriminellen ihrem Opfer aber einen Finger ab.

Einen ähnlichen Fall gab es Anfang des Jahres. In der französischen Region Cher wurden David Balland, Gründer des Unternehmens Ledger, und seine Frau entführt. Auch von ihm verlangten Kriminelle eine hohe Summe – in Bitcoin. Auch er konnte von der Polizei befreit werden. Und auch er verlor einen Finger.

Ballands Unternehmen Ledger vertreibt Hardware-Wallets, die einen externen Zugriff auf Krypto-Anlagen verhindern sollen. Es ist einfach gesagt eine physische Geldbörse, optisch einem USB-Stick ähnelnd, gesichert mit einem Passwort und einer Kombination aus 24 Wörtern. Nur, wenn das Gerät am Computer angeschlossen ist und das Passwort eingegeben wird, können Kryptowährungen transferiert werden. All das hilft nicht, wenn man entführt und gefoltert wird.

Spätestens seit dem Skandal um die Kryptobörse FTX, bei dem Kundengelder in Milliardenhöhe veruntreut wurden, verwahren viele Krypto-Nutzer ihre Coins auf Wallets selbst. Denn zu Hause sind diese vor dem Bankrott einer Börse sicher. „Wenn es zu einer Gewalttat kommt, hilft das nicht, weil man selbst der Schlüssel ist“, sagt Ex-BKA-Mitarbeiter Salih Altuntas, der für die Ermittlungsabteilung der Blockchain-Analyseplattform Chainalysis für Zentraleuropa zuständig ist.

„In den letzten Monaten gab es – international gesehen – eine Häufung von Gewaltdelikten, die mit Kryptowährungen in Zusammenhang stehen“, führt er fort. Die Täter kämen vorwiegend aus der organisierten Kriminalität, „klassische kriminelle Gruppen, die sich auf das Phänomen Kryptowährungen stürzen“, sagt Altuntas. „Krypto ist im Mainstream angekommen, auch im kriminellen Mainstream“.

Kehrseite der Popularität

Zwischen Ende 2024 und Anfang 2025 knackte der Bitcoin-Kurs die 100.000 US-Dollar-Marke. „Wir können beobachten, dass Kryptokriminalität mit dem Kryptomarktwert korreliert. Steigen Kurse, kommen Betrüger und Kriminelle und stürzen sich drauf“, sagt Altuntas.

In einigen Fällen werden Kriminelle auf Kryptoinhaber aufmerksam, weil diese online preisgeben, dass sie digitale Währungen besitzen. Etwa im Fall eines 21-Jährigen in Saarbrücken, der seinen Krypto-Besitz in einer Whatsapp-Gruppe geteilt hatte. Verbrecher entführten und zwangen ihn, rund 150.000 Euro in der Kryptowährung Solana an sie zu transferieren. Die Polizei fasste sie. Der Prozess gegen sie begann im April. Einen Monat zuvor brachen drei Männer bei einer Streamerin in Houston, Texas ein, nachdem sie in einem Livestream erzählt hatte, dass sie 221 Bitcoin besäße.

Schon Ende 2023 wies ein schwedischer Krypto-Influencer auf die Gefahr von Erpressung hin, wenn „die Opfer vor dem Überfall Krypto in einem öffentlichen Kontext erwähnt haben“ und kritisierte die Transparenzgesetze in Skandinavien, wo Steuerabgaben und Adressen öffentlich einsehbar sind. Hintergrund war der Fall eines Ehepaars, das in ihrem Haus erpresst wurde.

„Bei den meisten Gewaltdelikten mit Kryptowährungbezug werden sowohl physische als auch digitale Spuren hinterlassen, die Ansätze für die Strafverfolgungsbehörden liefern“, sagt Altuntas. „Viele Täter kommen aus der organisierten Kriminalität, nicht aus der Tech-Welt“, erklärt er weiter.

Hinterlassene Spuren

Viele von ihnen wüssten nicht, wie sie Transaktionen in digitalen Währungen verschleiern, quasi das Geld waschen, können. Wenn beispielsweise erbeutete Bitcoin verschickt werden, sind die Transaktionen für alle im Netz einsehbar, auch für Behörden. Versucht ein Täter dann, diese über eine Börse in Euro oder Dollar umzutauschen, kann er erwischt werden – vorausgesetzt, die Börse befindet sich in einem Land, das mit seinen Behörden kooperiert.

„Verbrechen im Zusammenhang mit Kryptowährungen werden von der Polizei in Deutschland nicht separat erfasst“, kritisiert Altuntas. Er wünscht sich, dass solche Taten explizit in Statistiken auftauchen, damit Tathergänge und Zahlen analysiert werden können.

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