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Gewaltspirale des Verfassungsschutzes

Das Bundesamt für Verfassungsschutz wirbt in seinem Jahreskalender mit einer Karikatur, die die SPD-Politikerin Uta Zapf an „übelste ,Stürmer‘-Manier“ erinnert  ■ Aus Berlin Gesa Schulz

Beim Bundesamt für Verfassungsschutz versteht man die Welt nicht mehr. In guter Verfassung wollte man sich präsentieren und verschickte dafür einen gleichnamigen Wandkalender „im Rahmen von Dienstkontakten“. Doch statt eines artigen Dankeschöns erntete die Behörde eine Strafanzeige.

„Daß ausgerechnet eine Behörde wie das Bundesamt für Verfassungsschutz eine solche Karikatur veröffentlicht, ist unglaublich“, so Eckhardt Barthel, ausländerpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Er ging gegen den Verfassungsschutz wegen Volksverhetzung und Beleidigung vor. „Mit der Veröffentlichung macht sich die Behörde die in der Zeichnung enthaltene Aussage zu eigen, Türken und Kurden stünden pauschal mit Neonazis auf einer Stufe“, so Barthel.

Seine Anzeige blieb allerdings ergebnislos. Die Staatsanwaltschaft teilte Barthel mit, daß das Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei. Ob eine Beleidigung vorliegt, wurde erst gar nicht geprüft. Eine Volksverhetzung käme deshalb nicht in Betracht, weil keineswegs die Kurden und die Türken dargestellt würden. „Vielmehr zeigen gerade die brennenden Streichhölzer, daß damit ausschließlich Türken und Kurden gemeint sind, die im übertragenen Sinne ,zündeln‘“, so die spitzfindige Argumentation der Staatsanwaltschaft. Barthel kündigte an, gegen die Einstellung der Ermittlungen Beschwerde einzulegen.

Beim Bundesamt für Verfassungsschutz ist man sich keinerlei Geschmacklosigkeit bewußt: „Es handelt sich bei der Karikatur um eine bildliche Darstellung der Gewaltspirale“, verteidigt ein Sprecher des Verfassungsschutzes das März-Blatt. Allerdings, so räumte er ein, sei die Darstellung „überpointiert, was aber das Wesen der Karikatur ausmacht“. Analysen des Bundesamtes würden natürlich wesentlich differenzierter ausfallen, beruhigte er. „Wir identifizieren uns nicht mit jedem Detail“, war die äußerste Abgrenzung, zu der sich der Sprecher überwinden konnte. Über die Anzeige sei man sehr überrascht, denn schließlich wurde die Karikatur bereits im Vorjahr in der Rheinischen Post veröffentlicht. Außerdem, so der Behördensprecher, habe die Pressestelle bislang nur Lob für den Kalender geerntet, weil sich die Zeichnungen auch „kritisch und humorvoll“ mit dem Verfassungsschutz auseinandersetzen würden.

Von Lob war auf taz-Nachfrage allerdings wenig zu hören. „Das ist übelste Stürmer-Manier“, kritisiert die Vorsitzende des SPD- Gesprächskreises Kurden, Uta Zapf, die Zeichnung. „Der Verfassungschutz sollte sich nicht daran beteiligen, einzelne Gruppen gegeneinander aufzuhetzen und gleichzusetzen“, so Zapf. Der Bundestagsabgeordnete des Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir, sieht das Maß des Erträglichen überschritten. Die Karikatur sei „ein demagogischer, ethnizistischer und menschenverachtender Schund“.

Auch Michael Glasmeier, Doktor der Kunstgeschichte, zeigte sich angesichts der Zeichnung entsetzt. „Die Physiognomien der ethnischen Gruppen sind pauschalisiert. Dieser Stil wurde in den zwanziger Jahren viel benutzt. So, wie der Kurde dargestellt wird, wurden die Juden gezeichnet. Der Neonazi ist an die Darstellung der Russen angelehnt“, erläutert er den Ursprung des Zeichenstils.

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