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GewaltdiskussionIn der Bahn gehts zur Sache

Nach vielen Medienberichten beschäftigen die Übergriffe auf Busfahrer nun das Parlament. Diskutiert werden Fahrerkabinen und mehr Videoüberwachung. Dabei gehen die Zahlen zurück.

Was tun um den Nahverkehr sicherer zu machen? Diskutiert werden allerlei Vorschläge: von mehr Videoüberwachung bis zu mehr Sherriffs Bild: AP

Übergriffe auf Busfahrer beherrschen nun schon seit Wochen die Medien. Unbedarfte Leser haben nicht von ungefähr den Eindruck, dass die Angriffe drastisch zugenommen haben. Das Gegenteil ist der Fall. Im Jahr 2008 sind deutlich weniger Busfahrer Opfer von Gewalttaten geworden als in den Vorjahren. Nicht nur in den Bussen, auch in U- und S-Bahn ist die Gewaltkriminalität rückläufig. Am Montag beschäftigte das Thema den Innenausschuss des Abgeordnetenhauses.

Die Diskrepanz zwischen öffentlicher Wahrnehmung und Rückgang der Zahlen erklärten Polizeipräsident Dieter Glietsch und Innensenator Ehrhart Körting (SPD) so: Es gebe kein "Mehr" an Taten, aber eine zunehmende Verrohung. Die Einzeltaten seien zum Teil wesentlich brutaler als früher. Erst unlängst geschehen: Ein Busfahrer wird angegriffen und die Attacke von den Tätern auch noch gefilmt. Oder: Leute beschießen BVG-Fahrzeuge. "Solche Vorgänge haben wir früher nicht gehabt", konstatierte Körting.

Der Polizeipräsident präsentierte eine BVG-Statistik über Angriffe auf Busfahrer. Diese spiegelt den Schweregrad der Übergriffe allerdings nicht wider. Den Zahlen nach gehen die Angriffe zurück. 2005 wurden noch 185 Busfahrer attackiert, 2006 waren es 198, 2007 181. In diesem Jahr wurden bis Ende August 91 Fälle gezählt.

"Wir sind uns einig, dass man dass nicht so laufen lassen kann," sagte Körting mit Blick auf die Brutalisierung. Allerdings seien "intelligente Konzepte gefragt und keine Tonnenideologie". Damit meine er "populistische Forderungen" wie die der Abgeordneten Kurt Wansner (CDU) und Björn Jotzo (FDP). Wansner hatte im Ausschuss dafür plädiert, mehr Polizei in die Verkehrsmittel abzukommandieren. Jotzo schlug vor, die Busse analog zu Flugzeugen mit Sicherheitssherifss in Zivil auszustatten.

Was also tun? Es habe diverse runde Tische mit der BVG unter Einbindung mehrerer Senatsverwaltungen gegeben, sagte Körting. Zu den Ergebnissen gehört, dass die BVG bei künftigen Busbestellungen "prüft", Fahrerkabinen einbauen zu lassen. Auch die Videoüberwachung soll "vervollkommnet werden". Der U-Bahnhof Kottbusser Tor, laut Polizei ein Kriminalitätsschwerpunkt, könnte zum "Musterbahnhof" für Videoüberwachung ausgebaut werden, sagte Glietsch. Neben den Bahnsteigen sollen die Gänge ins Untergeschoss überwacht werden. Doch dafür brauche man eine leistungsfähigere Technik, die Geld koste.

Die Videoüberwachung im öffentlichen Nahverkehr ist seit 2007 gesetzlich geregelt. Die Aufzeichnungen müssen nach 24 Stunden gelöscht werden, es sei denn, die Polizei braucht die Aufnahmen für die Strafverfolgung. Was den Hintereinstieg in die Busse betrifft, habe er der BVG letzte Woche eine Brief geschrieben, bestätige Glietsch. Er habe um eine Auswertung der Erfahrungen gebeten. Auf Anordnung der BVG darf der Hintereinstieg seit April 2004 nicht mehr benutzt werden. Alle Fahrgäste müssen vorn beim Fahrer rein. Dadurch nimmt die BVG eigenen Angaben zufolge zusätzliche 5 Millionen Euro ein, die sonst durch Schwarzfahren verloren gingen. Durch die Mehrfachbelastung des Fahrers, so Glietschs Eindruck, hätten aber auch die Konflikte zugenommen. Sollte sich das bestätigen, "muss man über die Beseitigung der vorprogrammierten Konfliktsituation nachdenken", so seine Forderung. Im Klartext heißt das, die Hintertür wieder zu öffnen. Das sei aber kein Plädoyer dafür, Schwarzfahren hinzunehmen, betonte Glietsch. Die BVG müsse dann eben mehr Kontrolleure einsetzen.

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