Gewaltausbruch in Leipzig: Syrer gehen auf Iraker los
Bei einer Massenschlägerei nach einem Raubüberfall im Osten Leipzigs gibt es vier Schwerverletzte. Laut Polizei bestand „Tötungsabsicht“.
LEIPZIG taz | Bei blutigen Auseinandersetzungen zwischen Syrern und Irakern im Leipziger Osten sind am Sonntagabend acht Menschen verletzt worden. Etwa 20 Syrer, bewaffnet mit Latten, Pflastersteinen und Messern, versuchten, in ein von zehn Irakern verteidigtes Haus in der Eisenbahnstraße einzudringen. Drei Verletzte befinden sich noch im Krankenhaus, eine 22-jährige Irakerin schwebt aber nicht mehr in Lebensgefahr.
Die Polizei ermittelt wegen schweren Landfriedensbruchs und wegen versuchten Totschlags in drei Fällen. „Es bestand Tötungsabsicht. Entsprechende Äußerungen sind gefallen“, sagte Polizeisprecher Andreas Loepki. Die Straßenschlacht steht offenbar nicht im Zusammenhang mit aktuellen Auseinandersetzungen im Nahen Osten oder mit der Leipziger Drogendealerszene.
Ausgangspunkt ist nach bisherigen Erkenntnissen der Polizeidirektion Leipzig vielmehr ein Raubüberfall auf den 15-jährigen Sohn der irakischen Familie. Zwei junge Männer hatten ihn am Sonnabend mit Messern attackiert, um sein Mobiltelefon zu stehlen. Der als Ringer geschulte Iraker konnte sich zunächst wehren, ehe er von einem dritten Angreifer zusammengeschlagen wurde.
Gegenwärtig versucht die Polizei zu klären, ob er die Angreifer zuvor verbal provoziert hatte. Die Familie erstattete Anzeige und konnte über Facebook einen Deutschen syrischer Abstammung als Täter identifizieren. Der 26-Jährige, der Polizei bereits bekannt, erfuhr offenbar davon.
Angriff mit Messern
Für Sonntagabend baten die Syrer daraufhin um ein klärendes Gespräch in einem Bistro. Weil sich die irakische Familie jedoch weigerte, die Anzeige zurückzunehmen, griffen der junge Syrer und seine Freunde zur Gewalt. Sie verfolgten die Iraker bis zu ihrem Wohnhaus, traten Fenster und Türen ein. Die Auseinandersetzungen vor allem mit Messern, bei denen die Schwester des 15-jährigen Irakers lebensbedrohlich verletzt wurde, fanden im Hausflur statt.
Einwohner alarmierten die Polizei. Noch vor deren Eintreffen flüchteten die Angreifer. Die Polizei spürte in der Nacht zum Montag einige von ihnen in Notaufnahmen verschiedener Krankenhäuser auf. Das Viertel um die Leipziger Eisenbahnstraße gilt seit Längerem als Problemgebiet.
Mit EU-Geldern konnte der Leipziger Osten zwar baulich aufgewertet werden. Der anfängliche Bevölkerungsverlust wurde vor allem durch Ausländer mehr als ausgeglichen, die sich hier bevorzugt ansiedelten. Unter ihnen dominieren Einwanderer aus arabischen Staaten. Ein Anstieg der Kriminalität war jedoch nicht nachzuweisen. Unter dem Arbeitstitel „Block 99“ planten Leipziger Stadtentwickler 2005 sogar bewusst ein „internationales Quartier“. Die NPD inszenierte daraufhin eine umfangreiche Kampagne gegen das angebliche „Ausländerghetto“. „Kein China-Town im Leipziger Osten“ las man auf den Flugblättern.
Leipzig-Ost wurde vernachlässigt
Handel und Gastronomie an der wichtigen Zubringerstraße ins Leipziger Zentrum machen inzwischen einen lebendigen Eindruck. Florieren soll hier aber auch der Drogenhandel, weshalb zunächst Rivalitäten von Dealern hinter dem blutigen Konflikt vermutet wurden. In den vergangenen Jahren tauchten in Medien immer wieder Berichte über die „schlimmste Straße Deutschlands“ auf. Wiederholt kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, sogar zu Schießereien. Trotz der Städtebauförderung bleibt die bauliche Sanierung weiterhin ein Problem. Erst im Mai dieses Jahres war ein unbewohntes Haus an der Eisenbahnstraße eingestürzt. Die Straße ist seither teilweise gesperrt.
„Das ist nicht von ungefähr hier passiert“, meint Leipzigs Linken-Stadtvorsitzender Volker Külow. Er beobachtet eine wachsende Diskrepanz zwischen den reichen und armen Stadtvierteln Leipzigs. Der städtische Osten sei politisch vernachlässigt und durch reformbedürftige Wahlkreiszuschnitte im Stadtrat unterrepräsentiert. Die Polizei will sich laut Sprecher Loepki nun verstärkt um das Viertel kümmern und derartige Auseinandersetzungen verhindern. Vier Tatverdächtige sitzen vorerst in Untersuchungshaft.
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