Gewalt in Hamburg: Hilflosigkeit und Aktionismus
Das polizeiliche Gefahrengebiet in Hamburg bleibt bestehen. Vor dem Parlament gelingt es nicht, die Krawalle zwischen Polizei und Autonomen aufzuklären.
HAMBURG taz | Die sofortige Aufhebung des „Gefahrengebiets“ rund um das Hamburger Schanzenviertel fordern die dortigen Grünen: Seine Einrichtung sei ein Akt „politischer Hilflosigkeit, die mit aktionistischen polizeilichen Maßnahmen übertüncht werden soll“, kommentiert Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bürgerschaftsfraktion.
„Das schränkt die Rechte der Bevölkerung in dem betroffenen Gebiet erheblich ein“, sagte Möller am Dienstag. „Wir müssen aber zu einer vernünftigen politischen Diskussion zurückfinden.“ Innenbehörde und Polizeiführung hätten auf einer Sondersitzung des Innenausschusses am Abend zuvor keine überzeugenden Begründungen für ihr Vorgehen geliefert.
Kein Umdenken
Innensenator Michael Neumann und Polizeipräsident Wolfgang Kopitzsch (beide SPD) hatten in der viereinhalbstündigen Sitzung im Rathaus vor mehr als 100 Zuhörern das größte je in einer deutschen Stadt ausgewiesene Gefahrengebiet verteidigt. Seit Samstagmorgen darf die Polizei verdachtsunabhängig Personen „anhalten, befragen, ihre Identität feststellen und mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen“, so der Gesetzestext. Dadurch würde weitere Gewalt verhindert, so Neumann.
Seit dem Wochenende wurden mehr als 400 Menschen überprüft sowie Schlagwerkzeuge, Böller und Hasskappen sichergestellt. Anlass waren die Krawalle im Schanzenviertel am 21. Dezember sowie ein angeblicher Angriff auf Polizeibeamte der Davidwache an der Reeperbahn am 28. Dezember. Dass es diese Attacke gar nicht gegeben habe, hatte der Anwalt des besetzten Stadtteilzentrums Rote Flora, Andreas Beuth, am Montag erklärt.
Die Polizeiführung hingegen beharrte vor dem Innenausschuss auf ihrer Darstellung. Lediglich ein Detail müsse korrigiert werden: Ein Beamter sei nicht direkt an der Davidwache schwer verletzt worden, sondern „von dem flüchtenden Mob“ in einer etwa 200 Meter entfernten Seitenstraße.
Wahrheit aus der „Bild“
Dem CDU-Abgeordneten Ralf Niedmers gelang es immerhin, dem Ganzen eine humoristische Seite abzugewinnen: Er kritisierte die Linken-Abgeordnete Christiane Schneider unter Berufung auf die Bild-Zeitung. Darin habe „ein hochrangiger Journalist“ berichtet, wie Schneider bei der Demonstration am 21. Dezember aus dem Schwarzen Block heraus „Haut ab, ihr Bullen“ rief. Und Bild berichte „bekanntlich immer wahrheitsgemäß“, sagte Niedmers unter höhnischem Gelächter aus dem Publikum.
Schneider fand das gar nicht witzig: Sie kündigte rechtliche Schritte gegen das Boulevardblatt an: Dessen „Darstellung ist falsch, das kann ich nachweisen“. Auch dem Abgeordneten Niedmers drohte Schneider mit dem Rechtsweg – sollte er die „verleumderischen Äußerungen“ wiederholen. SVEN-MICHAEL VEIT
Leser*innenkommentare
nzuli sana
Ich muss so protestieren!
Jeder Investor ist eine Gefahr für unser Wohngebiet.
hasskappe ?
Gast
Danke Wikipedia für die richtige Übersetzung: http://de.wikipedia.org/wiki/Sturmhaube_%28M%C3%BCtze%29
Rossignol
Das ist kein Akt „politischer Hilflosigkeit, die mit aktionistischen polizeilichen Maßnahmen übertüncht werden soll“ - das ist absurdes Theater und ein Ablenkungsmanöver des Herrn O.Scholz um mit desolater Politik die Lösung sozialer Probleme in dieser Stadt zu verhindern!
vergessene Liebe
Jaa! @ROSSIGNOL ! `Absurdes Theater´als Oberbegriff- für die inzwischen seit den 70´ern populäre Tradition für überdrehte Polizeieinsätze des HH Senats- ist passend!
Die `autonome Szene´ bestehend aus primär Teenagern und Jugendlichen und StudentInnen- den Möglichkeiten alternativen Experimentierens im Bereich von Kunst und Kultur und Politik- hingegeben..
Als Grundsubstanz der Hamburger Kultur an sich, in der bildenden Kunst Hamburgs!
..Wurde oftmals durch die ökonomische Pfeffersackmentalität des HH Senats stranguliert, durch die
Gesetzesmacht der Polizei und passende Juristerei !
Im eigentlichen war und ist die HH autonome Szene bestehend aus friedlichen, kreativen und phantasievollen, fröhlichen jungen Menschen. Kosmopolitisch und Hoffnungsvoll, mit sensiblem Gespür für Unrecht.
Ich meine das der Begriff von `Gewaltbereiten Autonomen´ mehr eine provokante Konstruktion des HH Senats ist um überdrehte Polizeigewalt und um `Gefahrengebiete´ zu legitimieren !
Und im Fall der `ROTEN FLORA´ und dem absurden Theater rundherum... zeigt sich irgendwie ein politisches Ablenkungsmanöver des HH Senats um vom ökonomischem Disaster der Hafenoper abzulenken !
Das dies absurde Theater jedoch die `autonom- experimentelle´ Kultursubstanz Hamburgs ruinieren kann- das sieht der Senat nicht!
Mehr und mehr, autonom- künstlerisch orientierte junge Menschen verlassen Hamburg und suchen ihr kreatives Zuhause in Berlin, Leipzig, Dresden etc !