Gewalt im Ostkongo: „Das ist kein Leben hier“
In der Provinz Ituri ist fast ein Drittel der Bevölkerung auf der Flucht. Eine Reise durch Vertriebenenlager, in die kaum noch Hilfe kommt.
Ituri ist seit Jahrzehnten Kriegsgebiet. Im südlichen Teil, dem Distrikt Irumu, begehen die ursprünglich ugandischen, als Islamisten bezeichneten Rebellen der ADF (Allied Democratic Forces) Massaker; sie sind vor allem in der benachbarten Provinz Nord-Kivu aktiv.
Im zentralen Distrikt Djugu, wo Ituris Hauptstadt Bunia liegt, bekämpft die Miliz Codeco (Coopérative pour le développement économique au Congo), die sich hauptsächlich aus der Ethnie der Lendu rekrutiert, die Armee und vertreibt Angehöriger anderer Ethnien. Nach lokalen Schätzungen sind fast zwei Millionen der 5,7 Millionen Einwohner Ituris mittlerweile Vertriebene, über vier Millionen leiden nach UN-Angaben Hunger.
Im Lager Jina außerhalb der Stadt Fataki mit über 10.000 Menschen kratzen die Vertriebenen Gräser und Äste zusammen und verkaufen sie, um etwas zu Essen zu bekommen. „Es geht nicht mehr“, sagt Kolidri Byaruhanga, der irgendwie seine Frau und acht Kinder am Leben halten muss. „Ich würde so gerne nach Hause gehen. Diese Milizen, die unsere Dörfer besetzt haben, müssen endlich rausgeworfen werden. Der Staat muss sie verjagen.“
Manche sind schon zum dritten Mal auf der Flucht, weil ihre erste Fluchtorte von den Kämpfen überrollt wurden – und jedes Mal rücken sie näher an die Stadt Bunia heran. „Vor drei Jahren habe ich Kpandroma verlassen“, erzählt Gertrude Lipoli im Lager Kigoze nahe Bunia. „Ich war in Jina, aber als die Straße nach Fataki umkämpft war, musste ich mit meiner Familie nach Linji ziehen, und jetzt bin ich wieder geflohen und hierhergekommen.“
„Wir sind wie Gefangene“
Die ländliche Region ist weitgehend menschenleer, aber die Lager sind überfüllt. Privatsphäre gibt es nicht, auch keine Schulen für die Kinder und Jugendlichen, die hier teils schon mehrere Jahre verbracht haben. „Das sind Gulags“, lästert der geflohene Lehrer Jean Dedieu Arama. „Niemand wird hier zur Arbeit gezwungen, aber seien wir ehrlich: Das ist kein Leben hier. Wir sind wie Gefangene. Wenn man rausgeht, ist die Gefahr groß, dass die Milizionäre der Codeco einen unter Beschuss nehmen.“
Ein Lastwagenfahrer in Ituri
Nationale und internationale Hilfswerke bemühen sich um die Versorgung der Vertriebenen, aber nur wenig über die Lage in Ituri dringt nach außen. Große Massaker machen zuweilen Schlagzeilen, die alltägliche Gewalt nicht. Auf der großen Straße fahren die Helfer von Ärzte ohne Grenzen, vom Norwegischen Flüchtlingsrat, von Save the Children und Caritas herum, aber schon das ist riskant, denn die Milizen sind nicht weit und fast jeden Tag finden irgendwo Kämpfe statt. Ausgebrannte Wracks von Autos und schweren Lastwagen zeugen davon. Und praktisch jeden Kilometer gibt es einen Checkpoint der Armee, wo Soldaten Geld verlangen.
„Das ist wie eine Selbstverständlichkeit geworden“, erzählt Fahrer Kambale Sondirya über die Erpressung durch die Soldaten. „Wenn du nicht zahlst, kannst du deine Haut lassen, einfach so, für nichts. Sie sind sehr nervös, besonders seit Verhängung des Kriegsrechts. Wir machen mit, ohne uns zu sträuben.“
Langes Warten auf den Frieden
Zu Jahresbeginn kontrollierte nicht die Armee, sondern die Miliz Codeco diese Straße. Sie hatten Basen eingerichtet und an Checkpoints töteten sie friedliche Bürger, ohne mit der Wimper zu zucken. „Die Codeco sind echte Barbaren“, berichtet ein Lastwagenfahrer, der oft hier unterwegs ist und seinen Namen lieber nicht nennen will. „Dein Leben ist ihnen egal, besonders wenn du zur Ethnie der Hema gehörst. Dann darf man nicht weiterfahren als Ngote, wo die Straße sich teilt. Und oft sind die Codeco-Rebellen Kinder. Jemanden zu erschießen ist für sie ein Kinderspiel.“
Seit der Verhängung des Kriegsrechts ist die Codeco an einigen Stellen zurückgewichen, aber die Kämpfe haben sich intensiviert und viele Straßen in Ituri sind überhaupt nicht mehr passierbar. „Das Kriegsrecht hilft uns nicht“, sagt Paul Manabule, ein weiterer Vertriebener im Lager Kigoze. „Wir dachten, es würde jetzt alles sehr schnell gehen und die Milizen würden unsere Dörfer verlassen, aber wir warten immer noch. Wie lange noch?“
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