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Gewalt im Berliner NahverkehrFahrgäste werden immer brutaler

Nach immer heftigeren Angriffen auf Busfahrer und Kunden fordern die Berliner Verkehrsbetriebe neue Strategien gegen Gewalt. Und mehr Solidarität unter Fahrgästen.

Schiss im Schacht? U-Bahnfahren in Berlin. Bild: dpa

BERLIN taz Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) fordern von der Politik Strategien gegen Gewalttaten in Bussen und U-Bahnen. Anlass sind mehrere schwere Übergriffe auf Mitarbeiter und Nutzer in den vergangenen Tagen. "Es ist zu einfach, die Gewalt als reines Problem der BVG zu betrachten", sagte BVG-Sprecherin Petra Reetz der taz, "die Politik ist hier gefragt."

Am Wochenende ereigneten sich zwei weitere Vorfälle. Ein 44-jähriger Mann wurde am Samstagnachmittag in der U 9 von einem Unbekannten brutal zusammengetreten. Das Opfer war zuvor eingeschritten, als der Angreifer mehrere Frauen belästigte. Der Mann erlitt eine Gehirnerschütterung. Der Angreifer flüchtete, von ihm fehlt jede Spur.

In der Nacht zum Sonntag wurde in Kreuzberg ein 34-jähriger Busfahrer mit einem Messer schwer verletzt. Der Fahrer wollte zwei pöbelnde Fahrgäste aus dem Bus werfen. Dabei kam es zum Streit. Eine Frau, die dem Fahrer helfen wollte, wurde von den Tätern getreten. Als der Fahrer einen der Angreifer festhielt, stach der andere ihm mit einem Messer in den Rücken. Der Fahrer kam zur stationären Behandlung ins Krankenhaus, die Frau wurde leicht verletzt.

Die Zahl der Angriffe auf BVG-Mitarbeiter und Kunden habe laut internen Statistiken in den letzten Monaten zwar nicht zugenommen, sagte Reetz. "Aber die Qualität der Gewalttaten hat sich verändert." Es werde billigend in Kauf genommen, jemanden schwer zu verletzen. "Wir brauchen eine allgemeine Ächtung der Gewalt", verlangte sie.

Auch Beschäftigte der BVG setzen sich gegen die Gewalt zur Wehr. Sie fordern einen Runden Tisch mit Senat, Unternehmensleitung und Arbeitnehmervertretern, um nach Lösungen zu suchen. "Wir fühlen uns allein gelassen", erklärte Initiator Thomas Wiener, Betriebsratsvorsitzender des BVG-Tochterunternehmens Berlin Transport. Das Thema Gewalt in Bussen und Bahnen müsse endlich zur Kenntnis genommen werden.

Die Idee eines Runden Tischs begrüßt die BVG. Gespräche dieser Art habe es im vergangenen Jahr bereits mit verschiedenen Vertretern gegeben, sagte Reetz. Sie sieht jedoch nicht nur die BVG in der Pflicht. "Die qualitative Veränderung der Gewalt wird nicht nur bei uns registriert. Das betrifft die ganze Stadt."

Auch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) steht einem Runden Tisch positiv gegenüber. "Wir sind bereit, unterstützend tätig zu werden", sagte seine Sprecherin. Denkbar wären zusätzliche Sicherheitskräfte auf den U-Bahnhöfen. In jedem Bus Sicherheitspersonal mitfahren zu lassen, lehne der Senator jedoch ab. Auf einigen Strecken fährt vor allem in den Abendstunden bereits zusätzliches Personal mit.

Claudia Hämmerling, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, hält den Runden Tisch ebenfalls für richtig. Darüber hinaus müsse eine Strategie gegen die Übergriffe entwickelt werden. Eine geschlossene Kabine für die Busfahrer, wie sie viele BVG-Mitarbeiter fordern, "löst das Problem nicht", so Hämmerling. Sie setzt neben mehr Sicherheitspersonal an U-Bahnhöfen und in Bussen auf mehr Solidarität unter den Fahrgästen. "Passagiere müssen sich als Gruppe einmischen. Einer alleine gerät oft in eine hilflose Situation."

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11 Kommentare

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  • PU
    Peter U. Baer

    Das war doch lange zu erwarten: Wenn die Brutalität der Hartz-Gesetze erstmal eine Weile wirkt, dann verschärft sich auch der Umgangston der Ärmsten oder von Armut bedrohten. Wenn sich überall im Wettbewerb der Stärkere durchsetzt, dann verrohen die Sitten. Im Betrieb heisst es Entlassungswelle, im Bus Geld oder Leben.

  • B
    B.D.

    Ein Anfang wäre schon gemacht, wenn man die "Sicherheitsleute" der BVG nicht am Tage zwischen 10 und 18 Uhr in den Bahnen mitfahren lassen würde, sondern zu den wirklich problematischen Zeiten nach 20 Uhr. Der zweite Schritt wäre dann die alten, dicken ABM-Sicherheitsleute durch qualifizierte, ausgebildete Kräfte zu ersetzen.

     

    Ich weiss, das kostet alles Geld aber die Probleme lösen sich nicht von selbst.

  • LL
    Luthen Leinhoss

    Es ist interessant, dass auf die Nationalität nicht eingegangen wird, Big Brother sei Dank! Ist ja im Prinzip auch egal, ob man von 'nem Türken, Albaner oder Deutschen niedergestochen wird in der Deutschen Hauptstadt. Ich nehme ja im Ausland auch keine Rücksicht auf die Einheimischen Idioten...

  • PU
    Peter U. Baer

    Das war doch lange zu erwarten: Wenn die Brutalität der Hartz-Gesetze erstmal eine Weile wirkt, dann verschärft sich auch der Umgangston der Ärmsten oder von Armut bedrohten. Wenn sich überall im Wettbewerb der Stärkere durchsetzt, dann verrohen die Sitten. Im Betrieb heisst es Entlassungswelle, im Bus Geld oder Leben.

  • B
    B.D.

    Ein Anfang wäre schon gemacht, wenn man die "Sicherheitsleute" der BVG nicht am Tage zwischen 10 und 18 Uhr in den Bahnen mitfahren lassen würde, sondern zu den wirklich problematischen Zeiten nach 20 Uhr. Der zweite Schritt wäre dann die alten, dicken ABM-Sicherheitsleute durch qualifizierte, ausgebildete Kräfte zu ersetzen.

     

    Ich weiss, das kostet alles Geld aber die Probleme lösen sich nicht von selbst.

  • LL
    Luthen Leinhoss

    Es ist interessant, dass auf die Nationalität nicht eingegangen wird, Big Brother sei Dank! Ist ja im Prinzip auch egal, ob man von 'nem Türken, Albaner oder Deutschen niedergestochen wird in der Deutschen Hauptstadt. Ich nehme ja im Ausland auch keine Rücksicht auf die Einheimischen Idioten...

  • J
    Joachim

    Busverkehr einstellen:

    Die BVG sollte den ÖPNV in Stadtteilen mit hoher Gewaltkriminalizät einstellen. Schließlich hat der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine Pflicht zur Fürsorge, die Gefahr, der ein Busfahrer z.T. ausgesetzt wird, würde diesen Schritt rechtfertigen.

  • O
    Oyntzen

    Man kann nicht einfach sagen, die Menschen sollen solidarischer werden, weil dies in der Praxis nicht umgesetzt werden kann. Man sollte lieber bewaffnetes Sicherheitspersonal mitfahren lassen, zur Sicherheit aber auch als Abschreckung für potentielle Täter. Es ist doch so, wenn es zu Pöbeleien in der Öffentlichkeit kommt, wird sich kaum ein vernünftiger Mensch einmischen, es sei denn, er ist sich der Gefahr nicht bewusst. Helden leben gewissermaßen nicht so lange. Ich habe bereits mehrere Überfälle erlebt. Die Menschen schauen einfach weg. Da bringen schöne Worte oder Äußerungen gar nichts. Die Gewalt ist bereits da. Wenn wir sie weiterhin schönreden, verdrängen und die Täter als Opfer und nicht als Schwerstkriminelle behandeln, wird es bald zu Zuständen wie in den USA kommen.

  • PU
    Peter U. Baer

    Das war doch lange zu erwarten: Wenn die Brutalität der Hartz-Gesetze erstmal eine Weile wirkt, dann verschärft sich auch der Umgangston der Ärmsten oder von Armut bedrohten. Wenn sich überall im Wettbewerb der Stärkere durchsetzt, dann verrohen die Sitten. Im Betrieb heisst es Entlassungswelle, im Bus Geld oder Leben.

  • B
    B.D.

    Ein Anfang wäre schon gemacht, wenn man die "Sicherheitsleute" der BVG nicht am Tage zwischen 10 und 18 Uhr in den Bahnen mitfahren lassen würde, sondern zu den wirklich problematischen Zeiten nach 20 Uhr. Der zweite Schritt wäre dann die alten, dicken ABM-Sicherheitsleute durch qualifizierte, ausgebildete Kräfte zu ersetzen.

     

    Ich weiss, das kostet alles Geld aber die Probleme lösen sich nicht von selbst.

  • LL
    Luthen Leinhoss

    Es ist interessant, dass auf die Nationalität nicht eingegangen wird, Big Brother sei Dank! Ist ja im Prinzip auch egal, ob man von 'nem Türken, Albaner oder Deutschen niedergestochen wird in der Deutschen Hauptstadt. Ich nehme ja im Ausland auch keine Rücksicht auf die Einheimischen Idioten...