Gewältätige Jugendliche: Beten hilft nicht
Eine Studie zeigt: Je religiöser muslimische Jugendliche sind, desto gewaltbereiter sind sie auch.
BERLIN dpa/afp/taz Nach einer neuen Studie wächst die Gewalttätigkeit von männlichen muslimischen Jugendlichen mit zunehmender Bindung an den Islam. Laut einer Schülerbefragung, die das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen durchgeführt hat, begehen insbesondere gläubige Muslime häufiger jugendtypische Delikte wie Körperverletzung oder Raub. Institutsdirektor Christian Pfeiffer führt dies vor allem auf die Männlichkeitsvorstellungen der Jugendlichen zurück: "Die muslimische Religiosität fördert die Akzeptanz der Machokultur", sagte Pfeiffer.
Für die Studie befragten die Hannoveraner Forscher 45.000 Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren, unter ihnen gut 10.000 Migranten. Diese machten unter anderem Angaben zu Straftaten, die sie selbst begangen haben, aber auch zu solchen, bei denen sie Opfer waren.
Die Kriminologen stellten dabei einen signifikanten Zusammenhang zwischen Religiosität und Gewaltbereitschaft fest. Häufiges Beten und Moscheebesuche bremsten die Gewaltbereitschaft der jungen Muslime nicht. Wer besonders religiös lebe, schlage sogar häufiger zu, heißt es in der Studie. Dieser Zusammenhang bleibe auch, wenn man die soziale Herkunft der Jugendlichen berücksichtige, so Pfeiffer.
Bei evangelischen und katholischen Jugendlichen zeigte sich indes eine gegenläufige Tendenz: Wer seinen Glauben lebe, begehe seltener jugendtypische Straftaten. Dies gilt demnach auch für christliche Zuwanderer, die meist aus Polen oder der ehemaligen Sowjetunion stammen.
Verantwortlich für die beschriebenen Probleme sei nicht der Islam selbst, so Pfeiffer: "Das ist kein Problem des Islam, sondern seiner Vermittlung." Eine entscheidende Ursache sei, dass die Imame häufig ohne Sprach- und Kulturkenntnisse aus dem Ausland nach Deutschland kämen und mitunter "reaktionäre Männlichkeitsvorstellungen" vermittelten.
Als Erklärungsansatz beziehen sich die Autoren des Kriminologischen Forschungsinstituts auf Befunde des Religionswissenschaftlers Rauf Ceylan, der jüngst eine Studie über Imame in Deutschland veröffentlichte. Ceylan hatte festgestellt, dass die Mehrheit der Imame in Deutschland den Rückzug in einen konservativen Islam und in die eigene Ethnie fördert. Die meisten Imame seien nur zeitweise in Deutschland, könnten kein Deutsch und deshalb keine positive Beziehung zur deutschen Kultur aufbauen. Für sie sei die Dominanz der Männer selbstverständlich. Ihre Lehren förderten entsprechende Einstellungen bei muslimischen Jugendlichen. Pfeiffer verwies aber auch auf die Ausgrenzung von Muslimen durch einheimische Deutsche, die deren Rückzug in die eigene Gruppe fördere.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“