piwik no script img

Getanzte Teilhabe

INKLUSION Die Frucht langer Arbeit: Mit „Sommernacht“ gelingt der tanzbar_bremen ein künstlerischer Durchbruch. Er zeigt, welche Potenziale sich entwickeln, wenn passende Strukturen geschaffen sind

Wer Erfolgsgeschichten made in Bremen sucht, wird heute Abend in der Schwankhalle fündig. Auch am Samstag, Sonntag und Dienstag. Immer dann also, wenn „Sommernacht“ zu sehen ist, eine Tanzproduktion von tanzbar_bremen. Erfolg ist hier: immense Entwicklung.

Seit Jahren bemühen sich die tanzbar-MacherInnen um Inklusion auf hohem Niveau und haben es vor knapp einem Jahr geschafft, ihre logistischen Strukturen in Gestalt von „KompeTanz“ auf eine professionelle Basis zu stellen: Mit Hilfe von Integrationsamt und Arbeitsagentur konnten sie, ein Novum in Deutschland, mehrere sozialversicherungspflichtige Stellen für gehandicapte TänzerInnen einrichten. Die wiederum erwirtschaften, zum Beispiel durch Workshops und Schulprojekte, substantielle eigene Einnahmen. „Sommernacht“, eine Choreografie von tanzbar-Mitgründer Günther Grollitsch, kann nun als entsprechender Durchbruch auf künstlerischer Seite aufgefasst werden.

Von Shakespeares gleichnamigem Traum inspiriert, ist „Sommernacht“ eine pointierte Ballettparodie, eine mit grandiosem Barocksound geputschte Versailles-Satire. Mittendrin im neunköpfigen Ensemble: Oskar Spatz, Isabel Helmers-Lopez und Lisa Janik, die 2015 die Werkstufe des Schulzentrums Neustadt absolvierten und seither Teil von KompeTanz sind – finanziert durch ihre „persönlichen Budgets“ bei der Arbeitsagentur. Das Frappierende ist nun, zu sehen, in welch rasantem Tempo diese drei ihre Fähigkeiten steigern, welch technische Fertigkeiten und ästhetischen Mittel ihnen bereits zu Gebote stehen.

Natürlich gibt es noch Längen und Lüfte nach oben. Aber das sind Längchen und Lüftchen – die ex negativo unterstreichen, welch weite Wege diese Company schon zurückgelegt hat.

In Bremen kann man davon erzählen, wie die Grünen die parlamentarische Bühne betraten. Oder, wie aus dem klapprigen Passat der Lagerhaus-Besetzer der Carsharing-Riese Cambio wurde. Eine neue Geschichte ist die von KompeTanz. Natürlich viel kleinformatiger als die Vorerwähnten, aber mit den selben Ingredienzen: Experiment, Anspruch auf gesellschaftliche Teilhabe – und von vielen kaum für möglich gehaltener Erfolg.

HENNING BLEYL

Heute 20 Uhr, dann wechselnde Zeiten, siehe schwankhalle.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen