Gesundheitsreport: Bologna macht krank
Fast jeder dritte Student hat psychische Probleme - und es werden immer mehr. Schuld daran ist nach Angaben der Techniker Krankenkasse auch der Bologna-Prozess.
BERLIN taz |Immer mehr Studenten und junge Erwerbstätige leiden an psychischen Störungen. Dies ist das schockierende Ergebnis des Gesundheitsreportes 2011 der Technicker Krankenkasse (TK), der am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. So wurde 2010 bei fast jeder dritten jungen Frau im Alter von 20 bis 34 Jahren eine Auffälligkeit im Erleben und Verhalten festgestellt. Bei ihren männlichen Altersgenossen erhielten 13,4 Prozent der Studenten und 12,5 Prozent der Beschäftigten eine solche Diagnose.
Für den Gesundheitsbericht hat die TK die Arzneimittel- und Diagnosedaten ihrer eigenständig Versicherten ausgewertet. Viele Hochschüler bis 25 Jahren sind aber bei ihren Eltern familienversichert. "Diese Studenten sind für uns schwer zu identifizieren", erklärt der TK-Vorstandsvorsitzende Norbert Klusen. Das vorliegende Datenmaterial der 135.000 eigenständig bei der TK versicherten Studenten ist für ihn jedoch Indiz genug, dass die sogenannte Bologna-Reform zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulsystems daran mitverantwortlich ist. "Viele Studenten sind dem wachsenden Druck durch die Umstellung auf Bachelor und Master nicht gewachsen", sagt er.
Und laut Datenmaterial geht Studieren tatsächlich an die Nerven. Allein die TK verzeichnet gegenüber 2006 einen Anstieg von 44 Prozent bei den mit Antidepressiva behandelten Hochschülern. Mittlerweile bekommen so fünf Prozent aller Studentinnen und drei Prozent ihrer männlichen Kommilitonen Medikamente gegen Depressionen. "Steigen die Antidepressiva-Verordnungen weiter, bekommen spätestens im Jahr 2046 alle Vorlesungsteilnehmer ein Antidepressiva-Rezept", rechnet Klusen vor.
Es werden aber nicht nur mehr Psychopharmaka verschrieben. Rein statistisch gesehen erhielt jeder Student im vergangenen Jahr Medikamente für 65 Tage. Dies sind zwar ein Zehntel weniger als ihre Altersgenossen im Berufsleben bekamen, der Anteil an Psychopharmaka ist aber bei den Hochschülern um sechs Prozent höher.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei