Gespräche über Syrien: Brahimi fordert Übergangsregierung
In Moskau laufen Gespräche für eine Lösung des Konflikts in Syrien. Unterdessen hat der Chef der Militärpolizei dem Präsident Assad die Gefolgschaft gekündigt.
MOSKAU/BEIRUT dapd/rtr | Die diplomatischen Bemühungen um ein Ende des syrischen Bürgerkriegs konzentrieren sich zunehmend auf Gespräche in Moskau. Nachdem der syrische Vize-Außenminister Faisal Makdad am Donnerstag zu Beratungen in der russischen Hauptstadt eingetroffen war, wurde für Samstag ein Besuch des UN-Gesandten Lakhdar Brahimi erwartet.
Dieser hat zur Bildung einer Übergangsregierung aufgerufen. Sie solle bis zu einer Neuwahl die Regierungsgeschäfte führen, sagte Brahimi am Donnerstag vor Journalisten in Damaskus. Die politischen Veränderungen in Syrien dürften nicht kosmetischer Natur sein, sondern müssten einen langfristigen Wechsel herbeiführen, forderte er. Die staatlichen Institutionen sollten dabei erhalten bleiben.
Brahimi äußerte sich nicht zu einer Rolle des syrischen Präsidenten Baschar al Assad in einer möglichen neuen Regierung. Die Rebellen lehnen eine Beteiligung Assads und seiner Getreuen ab. Die syrische Regierung äußerte sich nicht zu Brahimis Vorschlägen. Ein ähnlicher Plan des vorangegangenen Sondergesandten Kofi Annan war nicht umgesetzt worden.
Polizeichef desertiert
Fast zwei Jahre nach Beginn des Aufstands in Syrien wird der syrische Präsident Baschar al Assad immer stärker isoliert. Während der verwundete Innenminister Mohammed al Schaar offenbar aus Angst vor einer Festnahme vorzeitig seine Klinik im Libanon verließ, kündigte der Chef der syrischen Militärpolizei Assad die Gefolgschaft.
Generalmajor Abdul Asis Dschassem al Schallal erklärte in einem Video, er schließe sich der Volksrevolution an. Das Militär schütze nicht länger das Volk, sondern sei zu einer „Bande für Mord und Zerstörung“ verkommen. Der Generalmajor warf den Streitkräften vor, Städte und Dörfer zu zerstören und Massaker an Unschuldigen zu verüben. Die Rebellen meldeten derweil neue militärische Erfolge im Grenzgebiet zur Türkei.
Unterdessen verließ Innenminister al Schaar vorzeitig sein Krankenhaus in Beirut und flog am Mittwoch mit einem Privatjet zurück nach Damaskus, wie Mitarbeiter des Rafik-Hariri-Flughafens in der libanesischen Hauptstadt mitteilten. Al Schaar war bei einem Selbstmordanschlag am 12. Dezember verwundet worden und hatte sich im Libanon behandeln lassen.
Zuvor sei den libanesischen Behörden der Hinweis zugespielt worden, dass ein internationaler Haftbefehl gegen al Schaar wegen dessen Rolle bei der Niederschlagung der Proteste ausgestellt werden könnte, sagte ein führender Sicherheitsbeamter. In der vergangenen Woche war im Libanon zudem immer wieder die Festnahme al Schaars wegen dessen Rolle beim Angriff syrischer Truppen auf die libanesische Stadt Tripoli im Jahr 1986 gefordert worden. Hunderte Menschen waren damals ums Leben gekommen - al Schaar gilt vielen Libanesen seit damals als der „Schlächter von Tripoli“.
Rebellen erobern Stadt nahe der Türkei
Die Rebellen griffen den Angaben zufolge erneut den Militärstützpunkt Wadi Deif in der Provinz Idlib im Norden des Landes an. Der Stützpunkt in der Nähe der strategisch wichtigen Stadt Maaret al Numan wird sei Wochen von Regierungsgegnern belagert. Die Beobachtungsstelle erklärte, die neuerlichen Kämpfe hätten mindestens fünf Rebellen das Leben gekostet. Kampfflugzeuge hätten Stellungen der Aufständischen in der Region angegriffen.
Die Regierungstruppen haben zunehmend Schwierigkeiten, auf dem Landwege Nachschub in die Provinz Aleppo zu bringen, vor allem nach der Einnahme von Maaret al Numan durch die Rebellen im Oktober. Die Stadt liegt an der Autobahn zwischen der Hauptstadt Damaskus und Aleppo, Syriens größter Stadt.
Nach Wochen schwerer Kämpfe verbuchten die Rebellen Aktivisten zufolge einen weiteren militärischen Erfolg und eroberten die Stadt Harem im Grenzgebiet zur Türkei. Mohammed Kanaan, ein Aktivist in Idlib, sagte, Harem sei vollständig befreit. Zuletzt hätten die Aufständischen die historische Zitadelle der Stadt eingenommen, die die syrischen Streitkräfte zu einem Militärstützpunkt gemacht habe.
„Harem ist sehr wichtig, weil es eine der Städte ist, die bislang dem Regime gegenüber loyal waren“, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdul Rahman. Die Aufständischen haben inzwischen große Gebiete entlang der Grenze zur Türkei erobert, vor allem im Norden der Provinz Aleppo.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies