piwik no script img

Gesetzesvorlage im türkischen ParlamentKurdische Politiker unter Druck

Die Immunität von Abgeordneten soll aufgehoben werden, wenn sie gegen die Einheit des Landes agieren. Von der PKK freigelassene Soldaten sitzen jetzt im Militärgefängnis.

Das Parlament in Ankara: DTP-Mitglieder geraten zunehmend unter Druck. Bild: dpa

ISTANBUL taz Nachdem eine große Militäraktion im Nordirak zunächst abgewendet scheint, wächst in der Türkei jetzt der Druck auf die Abgeordneten der kurdischen DTP. Gestern brachte die rechtsradikale MHP einen Gesetzentwurf im Parlament ein, der vorsieht, automatisch die Immunität eines Abgeordneten aufzuheben, wenn dieser gegen die Einheit des Landes agiert.

Der Gesetzentwurf zielt auf die 20 Mitglieder der DTP, denen MHP-Chef Devlet Bahceli vorwirft, sie nutzten ihren Status als Schild, hinter dem sie an ihren separatistischen Zielen arbeiten. Für die regierende AKP wies deren stellvertretender Vorsitzender Mehmet Firat den Entwurf zwar zunächst zurück, doch die Rechtsradikalen und Ultranationalisten werden es nicht dabei belassen. Gegen Parlamentarierinnen, unter ihnen die DTP-Kofraktionsvorsitzende Aysel Tugluk, hat eine Vereinigung der "Angehörigen von Märtyrern", also Angehörige gefallener Soldaten, eine Klage und einen Antrag zur Aufhebung der Immunität eingereicht, weil diese angeblich offen mit der PKK zusammenarbeiten würden.

Die Klage stützt sich auf die Rolle, die drei Abgeordnete bei der Befreiung von acht Soldaten, die die PKK verschleppt hatte, spielten. Sie sollen sich dabei als Vertraute der PKK-Führer geoutet haben, die in Absprache mit der PKK die Rückkehr der Soldaten zu einem Propagandaerfolg für sich machen wollten. Mit verantwortlich für diese Klagen ist ein Film, den die PKK bei der Übergabe der Gefangenen gedreht hatte und der jetzt im Fernsehen zu sehen ist. Darin sieht man, wie Tugluk ein Papier für die PKK unterschreibt und die Soldaten sich herzlich von ihren Bewachern verabschieden.

Nicht zuletzt deshalb wurde von der Militärstaatsanwaltschaft auch gegen die zurückgekehrten Soldaten ein Verfahren eingeleitet. Man wirft ihnen vor, der PKK Informationen gegeben zu haben. Außerdem hätten sie sich nicht gefangen nehmen lassen dürfen, sondern hätten bis zuletzt kämpfen müssen. Die Soldaten befinden sich in einem Militärgefängnis in Van.

Beide Vorfälle zeigen, dass sich die Auseinandersetzung zwischen PKK und dem Staat im Moment wieder mehr auf die innenpolitische Ebene verlagert hat. Dabei geht es hauptsächlich darum, die DTP als Fraktion aus dem Parlament zu entfernen, oder die Partei gleich ganz zu verbieten. Fast alle Zeitungen berichteten in den letzten Tagen über die DTP-Abgeordnete Fatma Kurtulan, deren Mann angeblich seit 15 Jahren als Mitglied der PKK in den Bergen kämpft. Sie hat ihn zwar seitdem nicht mehr gesehen, ist aber nicht geschieden. Nachdem es zwei Tage lang vorwiegend um ihren Mann ging, brachte dann eine Zeitung, offenbar versorgt vom Geheimdienst, ein Foto, das sie angeblich selbst in der Kluft der PKK und mit einer Waffe in der Hand zeigt. Obwohl sie heftig dementierte, wurde ein Verfahren gegen sie eingeleitet. Die Fronten verhärten sich aber nicht nur auf Seiten der türkischen Nationalisten, auch die DTP selbst geht auf Konfrontationskurs. Auf einem Parteitag am Wochenende wies sie alle Aufforderungen zurück, sich von der PKK zu distanzieren, und wählte statt des bisherigen moderaten Vorsitzenden Ahmet Türk einen Mann, der als ausgesprochener Hardliner gilt. Nurretin Demirtas saß 12 Jahre als PKK-Mann im Gefängnis. Damit droht die DTP sich auch außenpolitisch völlig zu isolieren. Sowohl der deutsche als auch der britische Botschafter hatte die Partei aufgefordert, die Gewalt der PKK zu verurteilen, wenn sie in Europa als politische Partei weiter ernst genommen werden will.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • N
    n.n

    ausgewogener artikel herr gottlich. doch wir wissen auch: wäre ihr name nicht gottlich, sondern göktürk oder öztürk, würde ihnen hier auf deutsch gesagt "kein schwein" glauben was sie da schreiben, also besten dank für journalismus, wie er sein sollte.