Gesetzesbruch bleibt Gesetzesbruch – auch bei CDU-Politikern: Null Toleranz für Kohl und Co.
Erinnern wir uns. Lassen wir den Blick zurückschweifen in die Zeit, als die CDU noch für Recht und Ordnung stand. War es nicht so, dass sich vor allem in ihren Reihen die Fetischisten des Gesetzes und der Vorschrift befanden? Angeführt von ihrem CDU-Bundesinnenminister, versuchten sie stets, rechtsfreie Räume ausfindig zu machen. Hausbesetzungen etwa verfolgte die Law-and-Order-Partei unerbittlich. Denn wenn bunt behaarte junge Leute sich fremdes Eigentum nahmen, verstießen sie gegen das Gesetz.
„Rechtsfreie Räume wie in der Hafenstraße in Hamburg kann kein Innenminister der Union akzeptieren“, sagte Wolfgang Schäuble einmal dazu. Denn so war die Logik: Wer den Rechtsbruch im Kleinen zulässt, unterminiert die Gesetzestreue und den Rechtsstaat als solchen. Waren keine Gesetze da, mit denen vermeintliche Chaoten im Zaun zu halten waren, dann erfand die CDU eben neue. Höhepunkt dieser Entwicklung war der 98er Wahlkampf. Schäuble gab als Leitmotiv „Null Toleranz bei jedem Rechtsbruch“ aus.
Genau derselbe Mann streitet nun einen offensichtlichen Rechtsbruch seiner Bundestagsfraktion ab. Das Parteigesetz sieht vor, dass Zahlungen einer Fraktion an die Partei nicht statthaft sind. Grundsätzlich nicht. Das Gesetz sieht keine jener berüchtigten Ausnahmen vor, die Rechtsnormen oft so kompliziert machen. Jeder, der des Lesens kundig ist, kann dies mit einem Blick ins Gesetz feststellen. Die Rechtsnorm ist, um es mathematisch zu sagen, eineindeutig. Kein Nebensatz, keine Ausnahme. Es hat sich noch kein Parteienrechtler zu Wort gemeldet, der Zweifel hätte. Die Lage ist glasklar.
Schäuble aber beginnt mit einer so genannten teleologischen und historischen Interpretation. Juristen tun das häufig – bei schwierigen Fällen und wenn sie Geist und Entstehung eines Gesetzes nachvollziehen wollen. Das hat in der Wissenschaft seine Berechtigung. Wer aber würde, nachdem er bei Rot eine Ampel überfahren hat, mit dem einschreitenden Polizisten einen Exkurs über die Geschichte der Verkehrszeichen beginnen? Was sollte das bringen?
Die CDU will, das ist verständlich, den politischen Schaden der Affäre Kohl begrenzen. Schäuble freilich versucht eine rote Ampel als Vorfahrtsrecht zu deuten. Das wird nicht gelingen. Denn, um Schäuble zu variieren, „rechtsfreie Räume wie in der CDU-Fraktion wird kein Bürger akzeptieren“. Null Toleranz für Kohl und Co. Christian Füller
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