Gesetzentwürfe zur Sterbehilfe: Erstmal zum Psychiater

Es gibt diverse Gesetzesvorschläge für die Suizidassistenz, die aber von Sterbehilfevereinen abgelehnt werden. Am Mittwoch debattiert der Bundestag.

Portrait Robert Rossbruch.

„Der Andrang ist groß“, sagt Robert Roßbruch, Präsident der DGHS Foto: Stefan Boness/Ipon

BERLIN taz | „Schluss.Punkt“ heißt die telefonische Beratungsstelle für Menschen, die eine Beendigung des eigenen Lebens in Betracht ziehen, zumeist aufgrund eines schweren Leidens. „Der Andrang ist groß“, sagt Robert Roßbruch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), die diese Hotline zusammen mit der Sterbehilfeorganisation Dignitas seit einem Jahr betreibt.

Es gebe so viele Anfragen in der Beratungsstelle, die nur zehn Stunden in der Woche besetzt ist, dass nur jedeR DritteR der monatlich 600 bis 700 AnruferInnen überhaupt durchkomme für ein Gespräch, berichtet Roßbruch.

Die DGHS und Dignitas bieten seit einem Jahr die Vermittlung von ÄrztInnen für den assistierten Suizid in Deutschland an. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020 ist die Hilfe zum Suizid, auch die ärztliche Hilfe, straffrei. Die DGHS hat für diesen „begleiteten Freitod“, wie die Gesellschaft sagt, ähnlich wie Dignitas ein zweistufiges Verfahren entwickelt, das mehrere Gutachten und Gespräche mit ÄrztInnen und JuristInnen beinhaltet.

Zum massenhaften ärztlich assistierten Suizid ist es bisher nicht gekommen. Obwohl die DGHS rund 23.000 Mitglieder hat, bewege sich die Zahl der über die Gesellschaft vermittelten ärztlich begleiteten Suizide innerhalb eines Jahres im „zweistelligen Bereich“, so Roßbruch. Die Voraussetzung für den begleiteten Suizid ist die Mitgliedschaft in einer der Gesellschaften.

Vier Vorschläge zur Sterbehilfe

Für viele Schwerstleidende biete allein die Möglichkeit, sich mit ärztlicher Hilfe selbstbestimmt und schmerzfrei das Leben nehmen zu können, schon eine Entlastung. Diese Gewissheit „ist schon extrem prophylaktisch“, sagt Roßbruch.

Trotzdem befürchten GesundheitspolitikerInnen, dass sich die ärztliche Suizidbegleitung zu einem Geschäftsmodell entwickeln könnte. Der Bundestag debattiert daher an diesem Mittwoch in einer „Orientierungsdebatte“ über zwei Gesetzentwürfe, die diverse Gruppen von Abgeordneten fraktionsübergreifend entwickelt haben.

Der jüngste Vorschlag ist ein Eckpunktepapier für einen Gesetzentwurf und stammt von einer Gruppe um die Unionspolitiker Stephan Pilsinger und Ansgar Heveling, dem SPD-Mann Lars Castellucci und der Grünen-Politikerin Kirsten Kappert-Gonther. Danach soll die „geschäftsmäßige Sterbehilfe“ wieder „grundsätzlich strafbar sein“, so wie es vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts der Fall war.

„Unter „bestimmten Voraussetzungen“ soll aber die geschäftsmäßige Suizidhilfe „nicht unrechtmäßig sein“. Zu diesen Voraussetzungen zählen laut Eckpunktepapier im Vorfeld des ärztlich assistierten Suizids „grundsätzlich mindestens zwei Untersuchungen in einem hinreichenden Abstand durch einen Facharzt/eine Fachärztin für Psychiatrie“.

Beratungspflicht vorgesehen

Ähnlich ist ein sehr restriktiver „Diskussionsentwurf“ aus dem Hause von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der die geschäftsmäßige Sterbehilfe ebenfalls wieder grundsätzlich unter Strafe stellen und nur unter bestimmten Bedingungen erlauben will.

Der liberalere Gesetzentwurf von einer Gruppe um die Medizinrechtsexpertin Katrin Helling-Plahr (FDP), den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach und Petra Sitte (Linke) sieht eine verpflichtende Beratung durch eine unabhängige staatlich anerkannte Stelle vor. Erst nach Vorlage eines solchen Beratungsscheins soll ein Arzt oder eine Ärztin Suizidhilfe leisten dürfen.

Ein weiterer Gesetzentwurf kommt von den Grünen-Politikerinnen Renate Künast und Katja Keul. Dieser Entwurf unterscheidet, ob die Betroffenen ihren Tod wegen einer schweren Erkrankung anstreben oder aus anderen Gründen.

„Alle Entwürfe haben eines gemeinsam: Eine Beratungspflicht. Wir als DGHS lehnen das ab“, sagt Roßbruch, „aus unserer Beratungspraxis wissen wir, dass sich diese Menschen schon seit Jahren und Jahrzehnten mit der Beendigung ihres Lebens beschäftigt haben. Die sind nicht psychisch krank“.

Dieter Graefe, Justitiar bei Dignitas, erklärt, dass „die Hürden durch die Regularien in diesen Entwürfen so hoch sind, dass daran ein großer Teil der Sterbewilligen scheitern wird“. Damit aber werde die Sterbehilfe „vereitelt“ und dies sei verfassungswidrig.

Noch keine Mehrheit in Sicht

Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem aufsehenerregenden Urteil im Februar 2020 erklärt, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben das Recht einschließe, sich mit Hilfe Dritter das Leben zu nehmen. Die Karlsruher Richter räumten dem Gesetzgeber die Möglichkeit ein, die Verfahren der ärztlichen Suizidassistenz gesetzgeberisch auszugestalten. Das grundsätzliche Verbot der „geschäftsmäßigen Sterbehilfe“ aber wurde vom Gericht gekippt.

Die Sterbehilfeorganisationen haben eigene vorgeschaltete Verfahren. Wer bei der DGHS Mitglied wird und einen Antrag auf Suizidassistenz stellt, muss in einem ersten Schritt sämtliche Arztberichte einem Arzt oder einer Ärztin vorlegen, auch ein Jurist oder eine Juristin begutachtet den Fall und macht einen Hausbesuch. Im zweiten Schritt sucht dann ein zweiter Arzt oder eine Ärztin den oder die Kranke in Begleitung eines Juristen zuhause auf und stellt das tödliche Medikament zur Verfügung. Psychiatrische Erkrankungen werden nicht als Grundlage für einen assistierten Suizid akzeptiert.

Im Bundestag zeichnet sich bisher keine Mehrheit für einen der bekannt gewordenen Entwürfe ab. Gut möglich also, dass in dieser Legislaturperiode einfach nichts passiert. Die Sterbehilfeorganisationen können damit weiterhin straffrei agieren. Damit bleibt das in der Sterbehilfe in der Schweiz angewandte Mittel Natriumpentobarbital allerdings in der Suizidhilfe in Deutschland weiterhin verboten und die Organisationen müssen auf andere Präparate zurückgreifen.

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