Gesetz zu medizinischem Cannabis: Hanf auf Kassenkosten
Der Bundesgesundheitsminister will Kranken Medizinalhanf künftig auf Rezept verordnen. Den Eigenanbau lehnt er ab.
Seit Mittwoch ist ist eine Neuregelung dringlicher geworden, da dass Bundesverwaltungsgericht einem Patienten mit Multipler Sklerose das Recht zugestanden hat, selber Hanf anzubauen. In der Begründung verwies das Gericht auf den unhaltbaren Zustand, dass Kassen sich häufig weigern würden, eine Cannabis-Therapie zu finanzieren.
Nach Gröhes Gesetzentwurf soll schwerkranken Patienten der Zugang zu Cannabis spürbar erleichtert werden. Künftig sollen die behandelnden Ärzte allein darüber entscheiden dürfen, ob ihre chronisch kranken Patienten mit Medizinalhanf, Cannabisextrakt, getrockneten Blüten oder anderen Arzneimitteln auf Cannabisbasis behandelt werden sollen. Die derzeit noch notwendige Ausnahmeerlaubnis durch die Bundesopiumstelle in Bonn soll durch eine entsprechende Änderung im Betäubungsmittelrecht entfallen. Und: Erstmals sollen die Patienten das Cannabis auf Kassenrezept erhalten.
Dies gilt als der eigentliche Durchbruch des geplanten Gesetzes. Derzeit nämlich erstatten die Krankenversicherungen die Kosten für das Cannabis nur in Einzelfällen. Viele Patienten können den Medizinalhanf - die Kosten liegen häufig bei mehreren hundert Euro pro Monat - aber nicht aus eigener Tasche bezahlen und weichen deshalb notgedrungen auf den Eigenanbau aus. Bei diesem aber kann die Dosis stark schwanken; es gibt zudem keinerlei Qualitätssicherung.
Mehrere hundert Patienten
Auch dies soll sich ändern: Eine staatliche Cannabis-Agentur, angesiedelt beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn, soll künftig den Hanfanbau, den Handel und die Einfuhr überwachen. Der „nicht zielführende Eigenanbau von Cannabis zur Selbsttherapie“ soll auf diese Weise vermieden werden, heißt es im Gesetzentwurf.
Profitieren von dem Gesetz würden Schätzungen zufolge mehrere hundert Patienten in Deutschland. Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte verfügen derzeit 581 Patienten über eine Ausnahmeerlaubnis. Von insgesamt 1050 Anträgen seien 635 bewilligt worden, einige Kranke hätten die Genehmigung aber wieder zurück gegeben oder seien verstorben.
Weil es zwar viele positive wissenschaftliche Hinweise, aber noch zu wenige aussagekräftige Studien zum medizinischen Nutzen von Cannabis für Schwerkranke gibt, will der Bundesgesundheitsminister zudem alle Patienten, die künftig Cannabis auf Kassenkosten bekommen, zur Teilnahme an einer Begleitforschung verpflichten. Dies wird von der Opposition im Bundestag als übergriffige Einmischung in die Selbstbestimmung des Patienten kritisiert.
Ärzte dagegen
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Bundesärztekammer und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft wiederum lehnen das Gesetz ab, weil es aus ihrer Sicht für den medizinischen Einsatz von Medizinal-Cannabisblüten „an ausreichender wissenschaftlicher Evidenz“ fehlt.
Deutschlands oberster Cannabis-Wächter, der Leiter der Bundesopiumstelle, Peter Cremer-Schaeffer, stellte unterdessen unlängst in einem Gespräch mit der taz klar: „Cannabis kann helfen bei Übelkeit und Erbrechen unter Chemotherapie, bei schmerzhafter Spastik bei Multipler Sklerose, bei Appetitlosigkeit bei einer bestehenden Aidserkrankung und gelegentlich auch bei chronischen Schmerzen.“
Es werde, sagte Cremer-Schaeffer, aber auch weiterhin viele Patienten geben, denen es nicht hilft: „Wir dürfen Cannabis nicht zu einer Substanz erklären, die Probleme in der Medizin lösen hilft, die wir bisher nicht lösen konnten. Cannabis ist eine zusätzliche Option für einige Patienten, um ihre Symptome zu lindern.“
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