: Geschlossenheit heißt die Devise
Auf ihrem Sonderparteitag ist die FPÖ unter ihrem neuen Chef Herbert Haupt um eine harmonische Inszenierung bemüht. Ziel ist, sich Kanzler Wolfgang Schüssel als Koalitionspartner anzudienen. Abstimmung über inhaltliche Fragen findet nicht statt
aus Wien RALF LEONHARD
„Weiterregieren und in der Regierung wieder erstarken.“ Dieses Ziel formulierte Herbert Haupt auf dem Sonderparteitag der FPÖ am vergangenen Sonntag in Salzburg. Der Noch-Sozial- und Frauenminister wurde ohne Gegenkandidaten zum Parteivorsitzenden gewählt. Er hatte dieses Amt im Wahlkampf vom erkrankten Mathias Reichhold interimistisch übernommen. Mit 87,8 Prozent Zustimmung der 700 Delegierten erreichte er zwar nicht den Zuspruch vom vergangenen September in Oberwart, wo er mit 95 Prozent den höchsten Wert der vier Vize-Parteiobleute erhalten hatte. Doch demonstrierte die Partei damit eine Geschlossenheit, die über ihren wirklichen Zustand hinwegzutäuschen versucht.
Noch vor wenigen Tagen war von Gegenkandidaten und Kampfabstimmung die Rede gewesen. Wer aber erwartet hatte, dass der neue Chef versuchen würde, über ein paar selbstkritische Worte hinaus die Selbstdemontage der Partei aufzuarbeiten, wurde enttäuscht. Der dritte Parteitag der FPÖ in nur sechs Monaten hatte den vorrangigen Zweck, das äußere Erscheinungsbild der durch innere Konflikte und ein Wahldesaster arg zerzausten Partei appetitlich genug zu präsentieren, damit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sie wieder als Koalitionspartner adoptiert. Bezeichnend für diese Bemühungen war, dass Jörg Haider in Kärnten blieb. Er hat sich ja nach dem katastrophalen Ergebnis vom 24. November einmal mehr aus der Bundespolitik verabschiedet. Die FPÖ war von fast 27 auf knapp 10 Prozent abgestürzt. Nach Auszählung der Wahlkarten verlor sie noch ein Mandat an die Grünen und liegt mit 18 Abgeordneten nur einen Sitz und 0,5 Prozentpunkte vor der Öko-Partei.
Die FPÖ komme nur als Partner in Frage, wenn Haiders Einfluss sich auf Kärnten beschränke, hatte Schüssel wissen lassen. Und mit den „Knittelfeldern“ würde er auf keinen Fall koalieren. Die „Knittelfelder“ sind jene mittleren Parteifunktionäre, die Anfang September bei einem Delegiertentreffen in der steirischen Industriestadt Knittelfeld einen Forderungskatalog an das FPÖ-Regierungsteam formuliert hatten, der den Rücktritt von Vizekanzlerin Riess-Passer und Finanzminister Karl-Heinz Grasser provozierte und die Regierung platzen ließ. 12 der 18 FPÖ-Abgeordneten gelten als „Knittelfelder“, und die Integrationsfigur Haupt ist stets ein treuer Erfüllungsgehilfe Haiders gewesen. Er denkt genauso deutschnational wie die Rebellen von Knittelfeld, nur wirkt der Kärntner Tierarzt gemütlicher. Seine Säuberungsaktion nach der Wahl hatte er auf Zuruf Haiders gebremst, denn der begriff am schnellsten, dass das Köpferollen unter den Dissidenten die Partei endgültig zerreißen würde.
Zwei Wochen vor dem Parteitag brachten die innerparteilichen Gegner den ehemaligen Fraktionschef und langjährigen Haider-Freund Norbert Gugerbauer ins Spiel. Der vor acht Jahren im Streit geschiedene, erfolgreiche Anwalt sollte der FPÖ wieder ein salonfähiges Image verpassen. Gugerbauers „Freiheitliches Manifest“, eine politische Grundsatzerklärung des liberalen Flügels, fand binnen weniger Tage mehr als tausend Unterstützungserklärungen. Seine Anhänger finden sich unter den EU-Abgeordneten der FPÖ ebenso wie in einigen Landesparteiorganisationen und im Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender. Sie haben wenig Verständnis für Haiders Irak-Reisen und die dumpfen Rülpser aus den Burschenschaften.
Der Plan der Dissidenten, Gugerbauer als Gegenkandidaten zu Haupt zu präsentieren und eine Kampfabstimmung durchzusetzen, scheiterte jedoch. Es fanden sich nicht genug Delegierte, die am Parteitag ihre Stimme garantierten. Gugerbauer kam gar nicht nach Salzburg: „Die FPÖ ist noch nicht so weit, dass sie sich wirklich von der Person des Kärntner Landeshauptmanns inhaltlich und personell emanzipiert.“ Herbert Haupts Versuche, die innerparteilichen Gegner durch Integration kaltzustellen, wurden von den „Knittelfeldern“ unterlaufen. Haupt wollte die Europaabgeordnete Daniela Raschhofer mit dem Generalsekretariat betrauen. Schließlich korrigierte er sich und meinte, sie solle nur die internationalen Beziehungen der FPÖ pflegen. Außerdem wurde sie ins Koalitionsverhandlungsteam geholt.
Dennoch sandte er in seiner Rede Signale an die Unzufriedenen: „Die FPÖ wird künftig nicht der Besitz Einzelner, sondern der Besitz von uns allen sein. Ich glaube, das ist auch im Sinne von Dr. Jörg Haider.“ Abgestimmt wurde weder über die Frage Regierung oder Opposition noch eine Strategie für den versprochenen Neustart. Auch für die Verhandlungen mit Schüssel bekam Haupt keinen inhaltlichen Auftrag. Der Deutschnationale Ewald Stadler sah jedenfalls keinen Reformbedarf: „Jörg Haider ist heute nicht da. Aber gerade unter Herbert Haupt wird die FPÖ seine Partei bleiben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen