Geschlossene Heime für Jugendliche: Hamburg zieht die Zäune hoch
In Brandenburg sollen die Haasenburg-Heime schließen. Die Hamburger SPD will nun ein eigenes geschlossenes Heim für bis zu 15 Kinder.
HAMBURG taz | Der Hamburger Senat erwägt trotz Kritik aus der Opposition die Einrichtung eines geschlossenen Heims für straffällig gewordene Jugendliche. Bisher nutzte der Stadtstaat dafür die brandenburgischen Haasenburg-Heime. Doch nun sollen die Heime geschlossen werden. Am Donnerstag leitete Brandenburgs Jugendministerium ein Verfahren dazu ein.
Als Ersatz plant die Hamburger SPD ein eigenes Heim für einen „Kreis von 10 bis 15 Jugendlichen“, sagte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD). Das Heim soll außerhalb von Hamburg in einem der nördlichen Nachbarländer liegen und laut Scheele „den Geist der Jugendhilfe atmen und nicht den der Justiz“. Die Opposition in der Hamburger Bürgerschaft und auch die rot-grün regierten Nachbarländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen stehen der geschlossenen Unterbringung ablehnend gegenüber.
Der Hamburger SPD-Senat lässt sich davon nicht beirren. Es gehe auch darum, die Bevölkerung vor den Jugendlichen zu schützen, sagt deren Jugendpolitikerin Melanie Leonhard. Befeuert wurde die Debatte durch einen Überfall auf eine junge Frau.
Anfang November sollen ein 13-Jähriger, der aus der Haasenburg auf Urlaub war, und ein 17-Jähriger, der ebenfalls bis Ende August dort lebte, eine 23-Jährige festgehalten und sexuell genötigt haben. Der Fall zeige, wie wichtig geschlossene Heime seien, sagt der CDU-Jugendpolitiker Christoph de Vries.
Grüne gegen Wegsperrkonzept
Der Fall zeige eher, dass es schlecht sei, Jugendliche mit Problemen in einem Heim zusammenzuballen, hält die Grüne Eva Gümbel dagegen. Hätten sich die beiden mutmaßlichen Täter doch wohl über die Haasenburg kennen gelernt. Gümbel: „In der Feuerbergstraße und in der Haasenburg ist das Wegsperrkonzept krachend gescheitert.“ Die Hamburger Grünen fordern eine intensive Einzelbetreuung und einen „Kooperationspool“ von Trägern.
Es gebe aber kein Angebot für ein Alternativmodell, erklärt Scheele. Hingegen hätten sich mehrere Träger gemeldet, die bereit seien, über ein Heimkonzept zu reden. „Wir haben einen gewissen Optimismus, so etwas qualitativ ansprechend hinzubekommen“, sagte Scheele.
Leser*innenkommentare
Hamburger
Wer redet denn hier von Wegsperren auf "ewig" oder um Jugendliche, die schwer zu erziehen sind? Das sind wohl die meisten in gewissen Phasen.
Es geht um kriminelle Jugendliche, die anderen Schaden zufügen, weil sie immer wieder (schwere) Straftaten verüben, besonders körperliche Aggression. Die ständig neue Opfer produzieren.
Und da ist es zynisch, mit dem "die Gesellschaft ist Schuld"-Parolen zu kommen, die man genauso als (links-)populistisch bezeichnen könnte, zumindest sind es sehr einfache Parolen. Parolen des Wegsehens vor den Opfern. Parolen gegen jegliche Empathie mit Opfern. Parolen für ausschließliche Empathie mit Tätern.
Für mich ist die Priorisierung klar:
1. Geht es um die Opfer: Wie helfen wir ihnen, wie beseitigen wir Traumata, wie helfen wir im Alltag, wie schützen wir sie effektiv, wie erlangen sie das Vertrauen wieder in ihre Umwelt?
2. Von den Kriterien, die 1. erfüllen: Welche sind praktikabel, welche geeignete Formen der Verwahrung für die Täter gibt es bzw. welche effektiven Bestrafungen.
3. Resozialisierungsstrategien.
4. Philosopisch-politische Debatte über die Gesellschaft.
Leonhard
Gast
Bevor Sie hier "Priorisieren", sollten Sie vielleicht erst einmal zur Kenntnis nehmen, welches Klientel Sie hier bedienen (wollen)!
Dazu recht hilfreich die taz am 25.08.2013:
"Die Kinder sind nicht wie vielfach dargestellt alle Kriminelle. Sie sind nicht auf Grundlage des Strafgesetzbuches in dieser Einrichtung." Dazu Martina Münch: "Absolut richtig. ...", sowie die taz am 29.07.2013:
"Sie müssen sich vorstellen, dass es sich hier um Kinder und Jugendliche handelt, die bereits bindungstraumatisiert sind. Das heißt, sie haben zu Hause Verlassenheit erlebt beziehungsweise sie haben erlebt, dass sie seelisch missbraucht wurden, körperlich oder auch sexuell misshandelt wurden" (Michaela Huber).
Ansonsten werden Sie in all Ihrer Güte noch öfters, und nicht nur von Ihrem Klientel, missverstanden.
THG
Nun diskutiert man hier über „Delinquenten“/ „Straffällige“. Aber für jugendliche Straftäter gibt es doch Jugendhaftanstalten. Sollen hier Begriffe verwischt werden, um geschlossene Heime zu rechtfertigen oder will man populistische Hintertüren für administrative „Schutzhaft“ / „Sicherungsverwahrung“ von auffälligen Kindern/Jugendlichen öffnen?
Für mich geht es hier um „Schwererziehbare“ und nicht etwa um „Schwerverbrecher“. Stellt ein Gericht fest, dass jemand ins Gefängnis gehört, dann haben wir eine geschlossene Unterbringung, sonst brauchen wir sie eher nicht.
Im Übrigen wurde der „Täter-Opfer-Zyklus“ zu diesen Artikeln schon diskutiert. Als „Opfer“ muss mich die traumatische Vorgeschichte eines „Schwererziehbaren“ bzw. „Täters“ nicht interessieren, aber als Profi/Politiker/Beamter und auch kritischer Bürger sollte ich mehr auf dem Kasten haben, als nach „Wegsperren“ zu rufen, sofern ich nicht nur billiger Populist sein will.
Evtl. zu bedenken: Ewig Wegsperren geht nicht oder wollen wir unselige Zeiten zurück?! Da müssen wir uns einfach mehr einfallen lassen…
„Schwererziehbare“ kommen nicht einfach so. Sie sind immer Spiegel unserer „Erziehung“. Verlangen wir nur von ihnen Verantwortung - gar „Sühne“, weil wir unsere eigene Verantwortung in diesem Spiegel nicht erkennen wollen? Beigebracht haben wir es den „Schwererziehbaren“ offensichtlich nicht, jedenfalls nicht durch unser Beispiel. Und Kinder/Jugendliche, um die es hier doch geht, spüren das genau, ohne jede Theorie. Da muss es andere Ansätze geben!
Hamburger
"Isolation führt zu einer Verstärkung von Merkmalausprägung reine Biologie warum sollte das im sonstigen menschlichen Verhalten anderes sein?"
Nein, das ist reine Ideologie!
Der hauptsächliche Grund für geschlossene Unterbringung ist der Schutz der Opfer und möglicher zukünftiger Opfer! Es ist unerträglich, dass teils traumatisierte Opfer von Gewalt, Aggression und Bedrohung zugemutet werden soll, dass ihre Peiniger trotz akuter Wiederholungsgefahr frei herumlaufen können. Dass ist nicht nur moralisch abgründig, sondern entbehrt auch jedes Verursacherprinzips.
Nach dem Motto könnte man ja jeden Mörder freilassen, weil sich ja im Gefängnis angeblich seine Merkmale verschlechtern...
Der erste Blick muss immer weg von den Tätern hin zu den Opfern. Wenn man weiß, was gut und heilend für Opfer ist, oft nämlich Sühne und Konsequenz für die Täter sowie Schutz der grundgesetzlich geschützten, körperlichen Unversehrheit, dann kann man im zweiten Schritt sehen, ob gewisse geschlossene Unterbringungsformen besser sind als andere geschlossene und daraus die am meisten geeignete wählen.
Arne
Gast
"Es gebe aber kein Angebot für ein Alternativmodell, erklärt Scheele."
Vielleicht könnte Scheele auch mal erklären, wie und wo so ein Modell ausgeschrieben war. Nach EU-Recht muss es sogar EU-weit ausgeschrieben werden, bevor da eine Vergabe stattfinden kann. Mir riecht das schon wieder sehr nach Klüngel wie bei der Haasenburg. Ob da wieder ein Bruder eines SPD-Funktionärs mal wieder eine Idee hat, mit auffälligen Jugendlichen Geld zu verdienen, indem man ordentlich mal Staatsknete abzieht?
Humanista
Gast
@Arne Gibt für derlei Projekte EU-Förderung soweit ich mich erinnere. Da gilt meine Bewunderung den Menschen, die derlei Projekte ins Leben rufen und zwar wegen der Menschen für die gedacht ist.
Tim Rehren
Gast
Dem inkompetenten Herrn Senator traue ich noch zu ehemalige "Erzieher" aus der Haasenburg dort einzustellen.
Wobei ich mir die Frage stelle, ob das nicht handeln in der Vergangenheit wirklich aus Inkompetenz geschah , oder nicht doch eine Gefälligkeit war!
Ich hoffe es wird von der Presse ganz genau unter die Lupe genommen wer hinter dem zukünftigen Träger steht!
Humanista
Gast
Ein Gedankengang noch und vielleicht ändert sich dann was: Isolation führt zu einer Verstärkung von Merkmalausprägung reine Biologie warum sollte das im sonstigen menschlichen Verhalten anderes sein? Mag eine Schalbe keinen Sommer machen - aber entstehen Ausländerprobleme nicht durch Ausländerwohnheime anstatt und Behinderte nicht drch Behindertenwerkstätten usw, wer darin Lösungsanstätze sieht - ist geistig in Adoleszenz hängen geblieben im "die und wir"
anonyma_wird_zu_Humanista
Gast
Wokein Wille, da kein Weg - gäbe keine Alternativkonzepte?. Die Suche nach der Ursache als die Frage "In welcher Situtation bzw in welchem Zusammenhang" wird ein Jugendlicher Straffällig - irgendwo auf Youtube findet sich eine Reportage über ein solche Heim und vier Mädls. Was mich denken läßt "Was hat ein Mädchen das sich in seiner Freizeit beim THW mit Erfolg und beim Betrachten der Fotos an der Wand in Ihrem Zimmer Bestens sozial integriert in einen solchen Heim zu suchen - Schwierigkeiten zu Hause oder in Schule... aber Sie wird der Sündenbock für die Fehler anderer - warum Probleme in der Schule nd nicht bei THW? Deutschland - christlich Abendland Leiden erzeugen und Helfen - wow das nenn ich kollektiven Sprung in der Schüssel - Ausnahmen bestätigen die Regel. Zgehörigkeitgefühl via Isolation... bei Eltern und Schule hat man als Jugendlicher nicht so die Auswahl - bei Freunden und Vereinen manchmal schon. Wie soll ich denn der Verstand eines jungen Menschen öffenen und entwickeln und seine eigenständige Strategien für Leben entwickelen wenn man auf ein Merkmal reduziert -Straffälliger Jugendlicher, Menschen, Würde - das Würde für jeden was anderes ist mag daran liegen das Würde Seinsbestimmng heißt und nicht das jeder was anderes und seinen als des Königsweg definiert, nebenbei Lager hat sich doch schon als nicht so wünschswert erwiesen, oder? Ist auch in Hamburg - etwas nachfragen wie die das machen so als Idee http://www.sos-kinderdorf.de/hilfeverbund-hamburg/unser-angebot/ambulante-wohngruppen ambulant statt geschlossen...
Semilocon
Gast
Das Hauptproblem der Haasenburg war ja die mangelnde Transparenz und Kontrolle durch staatliche Stellen. Das sollte man vielleicht beim neuen Konzept gleich besser regeln. Es könnte bspw. verpflichtende Befragungen der Mitarbeiter und unangekündigte, häufige (nicht alle 5 Jahre oder länger auseinander liegende) Kontrollbesuche durch Mitarbeiter des Jugendamtes, die speziell dafür angestellt wären, unternommen werden.
Aber das kostet vermutlich mehr, als der Gesellschaft diese Kinder wert sind.
Hamburger
"Der Hamburger SPD-Senat lässt sich davon nicht beirren. Es gehe auch darum, die Bevölkerung vor den Jugendlichen zu schützen, sagt deren Jugendpolitikerin Melanie Leonhard."
Unglaublich, dass von einer jungen SPD-Abgeordneten zu hören. Plötzlich spielt also die Menschenwürde der Opfer doch eine Rolle beim Thema Kriminalität?
Das Modell der Grünen würde unter Sicherheitsaspekten ein Dreischicht-System erfordern, also pro Jugendlichen 3 Mitarbeiter pro Tag, macht bei 15 Jugendlichen 45 Vollzeistellen, Personalkosten dürften für den Staat insgesamt bei ca. 2 Millionen Euro jährlich liegen. Aber auch nur solange die Zahl der Jugendlichen nicht ansteigt.
Lehrer
Gast
Ich habe zehn Jahre mit schwer delinquenten Jugendlichen gearbeitet. Manche erreichst du noch, bei einigen wenigen bleibt nur noch das Wegschliessen - als Selbstschutz der Gesellschaft.
Humanista
Gast
@Lehrer @Lehrer, aus welchem Grunde sind die Jugendlichen so geworden? Ich bezweifele, dass diese böse geboren wurden. Der Gedenkengang, das die Geellschaft den Menschen formt ist Ihnen fern? Zu einem sind auch ihre "delinquenten Jgendlichen" sind Teil der Gesellchaft genau wie Sie, das unsere Gesellschaft - Selbstschutz genau mit Bestrafung einen Menschen den sie, die Gesellschaft hervor brachte um sich vor ihren eigenen Schattenseiten zu schützen und dann noch auf "die Guten" machen. Nachgefragt das war ihr Job nicht mehr und nicht weniger - Sie haben damit Geld verdient, evtl. fühlen Sie sicher als besserer Mensch weil Sie in ihrer Wahrnehmung etwas für die Gesellschaft getan haben. Das ist eben ihre Wahrnehmung, die kann richtig oder falsch sein... das sollte bezüglich eines Menschenlebens nicht ausschlaggebende sein - war ihr Handeln von Menschlichkeit geprägt?
Tim Rehren
Gast
@Lehrer Bei keinem Kind oder Jugendlichen darf niemals "Wegschliessen" eine Lösung sein!