Geschlechtergerechtigkeit in Medien: Im Männer-Karussell
8 Frauen auf 100 Männer: Den Regionalzeitungen fehlen Chefredakteurinnen. Eine neue Studie untersucht die Gründe dafür.

In keiner anderen Mediengattung arbeiten so wenig Frauen in Führungspositionen wie in Regionalzeitungen. Das ergibt eine neue Studie von Pro Quote. Der Verein hat 100 Regionalredaktionen in ganz Deutschland untersucht. Von den dortigen insgesamt 108 Chefredaktionsstellen sind 8 mit Frauen besetzt. Auf den Stellvertretungsposten standen 81 Männern 16 Frauen gegenüber. Das ergibt einen Frauenmachtanteil von 10,2 Prozent. Den höchsten Frauenmachtanteil gibt es laut der Studie bei Publikumszeitschriften: Dort sind knapp 49 Prozent der Chefredakteur*innenposten mit Frauen besetzt.
Pro Quote erhebt regelmäßig den Anteil von Frauen in Führungspositionen, Regionalzeitungen untersucht der Verein seit 2016. Seitdem hat sich der Anteil weiblicher Führungskräfte leicht erhöht, stagniert aber seit zwei Jahren.
Um herauszufinden, warum gerade bei Regionalzeitungen so wenig Chefredakteurinnen arbeiten, hat Pro Quote erstmals nicht nur Chefinnen gezählt, sondern auch Interviews mit 16 Journalistinnen verschiedener Regionalzeitungen geführt.
Als einen der zentralen Gründe, warum Frauen in den Redaktionen seltener aufsteigen, nennen die Befragten historisch gewachsene Strukturen in den Verlagen. Viele der vor allem kleineren Zeitungen erscheinen in alten Familienverlagen, in denen noch stärker als anderswo männliche Führungszirkel regierten. Die Chefredakteure kämen in der Regel nicht aus dem Haus, sondern von außen. Eine Befragte beschreibt das als „Chefredakteurskarussell“, für das Frauen selten in Betracht gezogen würden.
Erfahrung mit Sexismus
Das liege auch an mangelnder Personalentwicklung, Frauen würden nicht gefördert, Familie und Karriere sei in Regionalzeitungen häufig schwer zu vereinen. Auch fehle eine Kultur der Frauenförderung. Etwa die Hälfte der Befragten hat Sexismus erfahren, meist in verbaler Form.
Mit 16 Interviews ist die Befragung nicht repräsentativ, gibt aber einen Einblick in den Redaktionsalltag von Regionalzeitungen. Edith Heitkämper, die Vorsitzende von Pro Quote Medien sagt mit Blick auf die aktuellen Ergebnisse, dass sich Fairness den Journalistinnen gegenüber nicht von außen verordnen lasse, sondern in der Hierarchie der Verlage vorgelebt werden müsse. „Nur wenn sich weibliche Role Models und mehr Diversität im Regionaljournalismus etablieren, bleibt dieser im zukünftigen Online- und Printgeschäft glaubwürdig – auch für seine Leserinnen.“
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen