Geschlechter: Männer verkraften Kapitalismus nicht
Seit die Sowjetunion zusammengebrochen ist, sterben dort Männer früher. Frauen schadet der Wandel aber nicht. Evolutionspsychologen haben da so eine Theorie.
AFP/taz Um ganze sechs Jahre ist die Lebenserwartung russischer Männer seit dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion gesunken. Das fand eine Studie der Universität von Michigan heraus. Bei russischen Frauen hingegen gab es zwischen 1991 und 1994 keine derartigen Änderungen - und scheinen so den Wechsel zum Kapitalismus gesundheitlich besser verkraftet zu haben als ihre Landsleute. Als Grund dafür führten die wissenschaftler in einem Artikel in der Zeitschrift "Evolutionary Psychology" an, dass Unsicherheit, Instabiltiät und Ungleichheit, die durch die post-sozialistischen Umbrüche auf das Land hineinbrachen, russische Männer in stärkerem Maße stressten als Frauen.
Ein Ergebnis, auf das die US-Wissenschaftler in allen 14 ehemaligen Sowjetrepubliken und Satellitenstaaten stießen, die sie für die Studie untersucht hatten. Die Evolutionsbiologen wollten mit ihrem Forschungsprojekt den Einfluss von Marktwirtschaft und dem damit verbundenen persönlichen Stress auf eine ehemals sozialistisch geprägte Gesellschaft erforschen. Insgesamt verschob sich das Verhältnis der Sterblichkeit von Männern zu Frauen um knapp zehn Prozent zu ungunsten der Männer. Je westlicher die Länder jedoch lagen, je schneller der Wohlstand infolge der Transformationsprozesse dort Einzug hielt, desto geringer waren die Unterschiede in der Lebenserwartung.
"Männer werden davon zu Verhaltensweisen angestachelt, die ihrer Gesundheit schaden", sagte der Leiter des Projekts, Daniel Kruger. Dafür gebe es mehrere Gründe: Soziale Ungleichheit und schärfere Konkurrenz könnten die Männer zu Verhaltensweisen anstacheln, die entweder ihrer Gesundheit schadeten oder schwere Arbeitsunfälle provozierten. Zudem treibe der wachsende soziale und wirtschaftliche Druck viele Männer in den Selbstmord oder in die Kriminalität.
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