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Geschichtskunde vor dem Atlantic

■ Hamburger Kempinski-Initiative erinnert an die “Arisierung“ des ehemals jüdischen Hotels / Bedienstete sauer

Mit Aktionen in Hamburg und anderen Städten wiesen am Samstag zahlreiche Gruppen auf ein verdrängtes Kapitel deutscher Geschichte hin: Die „Arisierung“ der Hotelkette der jüdischen Familie Kempinski durch die Nazis und die Selbstverständlichkeit, mit der die Geschäftsleitung 1977 wieder den traditionsreichen Namen Kempinski annahm. Der schmückt seitdem die Hotelkette der Hotel-AG, zu der in Hamburg auch das Atlantic an der Alster zählt. Unerwähnt bleibt dabei bis heute die Ermordung der Familie in Konzentrationslagern.

Mitglieder der Hamburger Kempinski-Initiative versammelten sich am Sonnabend vor dem Atlantic, um den Wunsch eines der überlebenden Verwandten, Fritz Teppich, in die Realität umzusetzen. Der kämpft seit Jahren dafür, daß der Name wieder geändert und mit Gedenktafeln an das Schicksal der füheren Inhaber der Hotels erinnert wird. Doch auch der Bombenanschlag auf die Lübecker Synagoge hatte offensichtlich bei den Hotelbediensteten keine Sensibilität für dieses deutsche Thema geweckt: Denn der Anblick des Transparents vor dem Portal ließ die herbeigeeilten Angestellten ihre gutes Benehmen vergessen.

„Ich hau dir eins in die Fresse“, eröffnete einer der Bediensteten die Diskussion. Ein anderer wollte von der Historie lieber gänzlich ablenken und mäkelte statt dessen: „Ihr hättet ja wohl fragen können, ob ihr das hier dürft.“ Hotelgäste und Passanten zeigten sich indes zunehmend bereitwilliger, sich mit der Lektüre der DemonstrantInnen auseinanderzusetzen. Sie erfuhren dadurch, daß der Finanzdirektor der Hotelbetrieb-AG, Paul Spethmann, 1937 von den Nazis zum Diektor des arisierten Unternehmens ernannt wurde. Die AG wurde zwar nach Kriegsende in Ostberlin wegen Kriegsverbrechen enteignet, Spethmann wurde aber 1952 erneut zum Vorsitzenden der noch in Westberlin arbeitenden Hotelbetriebs-AG berufen. Nach Spethmanns Tod wurde die Kette wieder in Kempinski umgetauft.

Zum Studium dieser Fakten ließen sich die Hotelmitarbeiter schließlich doch hernieder. Nicht ohne zuvor noch mit dem Ruf nach uniformierten Ordnungshütern zu drohen.

Kristof Schreuf

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