piwik no script img

Geschichte eines FlüchtlingskindesWarum Mariam im Lager lebt

Sie ist acht Jahre alt. Und seit ihrer Geburt hat sie mit ihrer Mutter nie woanders gelebt als in Flüchtlingsheimen. Warum darf Mariam Blal nicht in eine Wohnung ziehen?

Mariam in ihrem Wohnzimmer, das auch ihr Esszimmer und ihr Schlafzimmer ist. Bild: Miguel Ferraz

Wenn Mariam Blal morgens aufsteht und aufs Klo will, muss sie dafür ihr Zuhause verlassen. Sie zieht dann rosa Gummischlappen an und schlurft den Hausflur runter. An manchen Stellen liegt kein PVC mehr auf dem Boden, an manchen Stellen läuft sie einfach über Beton. Die Klobrille im Gemeinschaftsbad wischt sie mit feuchten Tüchern ab.

Mariams Zuhause liegt in einem Flüchtlingslager in Parchim, Mecklenburg-Vorpommern. 18 Quadratmeter ist das Zimmer groß, das sie sich mit ihrer Mutter teilt. Wie es ist, ein eigenes Kinderzimmer zu haben, ein eigenes Klo und eine eigene Küche, weiß Mariam nicht. Vor acht Jahren wurde sie in Deutschland geboren. Seit acht Jahren wohnt sie im Lager. Seit acht Jahren besitzen sie und ihre Mutter Sara einen Duldungsstatus.

Ist es normal, dass ein Mädchen in Deutschland in einem Flüchtlingsheim aufwächst?

Ob Flüchtlinge eher im Lager oder in einer Wohnung untergebracht werden, ist bundesweit sehr verschieden: Während in Bayern fast ausschließlich Gemeinschaftsunterkünfte betrieben werden, lässt Rheinland-Pfalz seine Flüchtlinge meist in Sozialwohnungen wohnen. Vorbildlich, sagt Pro Asyl. Mecklenburg-Vorpommern liege eher im Mittelfeld. Grundsätzlich Lager, aber manchmal auch Wohnung.

Der Mann, der in Mecklenburg-Vorpommern für die gesetzliche Grundlage für Mariams Zuhause verantwortlich heißt, heißt Dieter Markhoff. Es war 1994, als er für die CDU im Innenausschuss saß und der Schweriner Landtag das so genannte Flüchtlingsaufnahmegesetz beschloss. Es kamen viele in diesen Jahren, allein 1992 beantragten 440.000 Menschen in Deutschland Asyl. Die Politik stand unter Druck. Oder wie es Markhoff formuliert: "Es ist ja, ich sachs mal so, alles gekommen hier und hat Asyl geschrien." Union, SPD und FDP schränkten das Grundrecht auf Asyl ein, die Länder sollten die Details regeln.

Bild: taz

Die Ganze Geschichte "Das Wartezimmer" mit Fotos von Miguel Ferraz und viele andere spannende Texte lesen Sie in der sonntaz vom 11./12. Februar - am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Heute ist Markhoff aus der Politik raus und sitzt zurückgelehnt im Büro der Anklamer CDU. Aus Kostengründen hätten sie damals die Unterbringung in Heimen beschlossen, sagt er. Und wegen der besseren Kontrolle. Flüchtlingslager findet er nicht schlimm, Hauptsache, die sanitären Anlagen seien in Ordnung. "Die wussten damals ja noch nicht mal, wie eine Spülung funktioniert."

Jeden Morgen um exakt 7.30 Uhr nimmt Mariam eine weiße Tablette, die heißt Ospolot, abends nimmt sie wieder eine. Wenn sie sie vergisst, kann es passieren, dass ihr Körper plötzlich verkrampft. Dann regt sie sich nicht mehr. Mariam hat Epilepsie.

"Wenn medizinische Gründe eine Unterbringung außerhalb von Gemeinschaftsunterkünften erfordern." So steht es in einem Erlass von 1997, der die Ausnahmen vom Grundsatz der zentralen Unterbringung festhält. Im Fall Mariam Blal liegen schon zwei ärztliche Gutachten im Ordner der Ausländerbehörde.

Warum sie bisher trotzdem nicht aus dem Lager ausziehen durfte, wie sie sich als Flüchtlingskind in der Schule schlägt und was der Leiter der Ausländerbehörde, der über ihre Unterkunft entscheidet, zu ihrem Fall sagt, lesen Sie in der Ganzen Geschichte "Das Wartezimmer" in der aktuellen sonntaz.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

11 Kommentare

 / 
  • C
    Carlo

    Schlussendlich gehts denen aber immernoch besser als da wo sie verfolgt werden.. und in machen Ländern ist es nicht mal selbstverständlich, das man ein Klo hat und sich 1,5 Personen ein 18m² Zimmer teilen... hauptsache erstmal gejammert... weil man ist ja nie damit zufrieden was man hat..... ^^

  • OM
    Olaf Mertens

    "Mich interessiert Mariam Blal nicht! Ich fühle mit den arbeitlosen deutschen Familienvätern, die jetzt ein richtiges Problem haben. " Wenn einen was nicht interessiert, liebe Frau Edith Müller, dann kann man ja auch einfach mal die Fresse halten. Es sei denn, man ist sich nicht zu schäbig, das eine mehr oder weniger traurige Schicksal gegen das andere auszuspielen.

  • SB
    Susanna Blal

    Zuerst möchte ich einfach mal sagen, dass das einfach schlimm ist, wie Menschen über andere Menschen urteilen. Wie wertvoll ist ein Mensch? Nach welchen Maßstäben wird er gemessen? Das ist nur traurig und macht mir riesige Angst. Irgendwie hatten wir das schon einmal und da sollten wir nie wieder hinkommen!! Ich fühle mit allen die leiden, auch mit dem arbeitslosen Vater, mit seinen Kindern und Mariam Blal und ihrer Mutter und mit allen Menschen, die nicht die Change haben aus ihrer Situation heraus zu kommen. Sie alle benötigen uns, die noch an die Menschlichkeit glauben.

  • KM
    kein mensch ist illegal

    Vielen Dank für diesen eindrücklichen Artikel. So ganz nebenbei zeigt er zudem: Auch Schreibtischtäter haben Namen und Adressen. Allein dafür gebührt euch größter Dank.

  • S
    Schulz

    Welche Sprachen spricht/sprechen Sara und Mariam?

    Wie ist die Schulpflicht?

    Ich koennt eine gute Tat tun...

    und meine Wohnung in Sachsen zur Verfuegung stellen.

    Wer dann die Eingliederung vornimmt,

    weiss ich nicht.

    Jobcenter? Sozialbehoerde? Rathaus?

    Suche Nachmieter, fuer moeblierte Wohnung.

  • V
    vantast

    Die Würde der Menschen ist also doch antastbar. Nur die der Beamten und CDU-Mitglieder nicht.

  • EB
    empörter Bürger

    Ganz einfach, weil wir kein Geld haben für solche Illegalen! Die gehören im Sinne des Volkes ausgeschafft. Die Politiker sollen endlich mal eine Volksbefragung dazu starten. Traurig wie über unsere Köpfe hinweg solche Entscheidungen getroffen werden. Wir zahlen nicht für eure Krisen!

  • JC
    Johnny Cynic

    Natürlich darf Mariam jederzeit in eine Wohnnung ziehen.

    Aber warum soll die Gesellschaft das finanzieren müssen?

    In meinem Arbeitszimmer wohnte monatelang ein Freund während seine Freundin bei ihren Eltern wohnen musste.

    Sozialwohnung gibt es keine weil beide arbeiten und der Wohnungsmarkt ist leer.

    Emilia, lass Mariam und ihre Mutter doch bei Dir wohnen!

    Oder ist das nun zu viel verlangt?

  • CI
    CDU ist behindertenfeidlich

    Wie in der taz-Veröff. zu lesen ist, ist das Mädchen behindert. Ergo: Die CDU hat es zugelassen, dass ein behindertes Kind in nicht behindertengerechten Lebensumständen aufwächst. Skandal!!!!!!!!!!!!!

    Wie es sein kann, dass Ärzte (denn mit Epilepsie ist mensch in ärztlicher Behandlung) nicht intervenieren und Mutter und behindertem Kind nicht einmal mit einem ärztlichen Attest zum Erhalt einer Wohnung verhelfen, ist für mich nicht nachvollziehbar und hätte ebenso vom Journalisten recherchiert und in der Veröff. präsentiert werden MÜSSEN.

    Für die CDU empfinde ich mittlerweile nur noch Verachtung.

    Frau Merkel, kümmern Sie sich und statten sie nicht nur im Auland Besuche ab!

    Oder sind Ihnen, Frau Merkel, Behinderte egal?????????

  • FE
    Frau Edith Müller

    Wo kommt die Mutter her? Warum ist die geflohen? Vor wem? Wie viele "Flüchtlinge" sollen wir nach Willen von Emilia Smechowski aufnehmen? 1 Mio? 10 Mio? 40 Mio? Was hat Emilia Smechowski in Polen für Asylbewerber getan? Was tut sie dagegen, dass jährlich ~ 100.000 Polen Veranlsssung haben, Polen zu verlassen und sich in Deutschland nieder zu lassen? Und ja, sie nehmen Arbeitsplätze weg! In der Firma eines Vater dessen Kind ich habe, hat die Betriebleitung bis auf wenige alle deutschen Angestellten rausgeschnmissen und mit Polen ersetzt. Nein, die sind nicht besser. Die arbeiten für 200,- €/ Monat weniger? Aber klar, als Nutzlosfachstudierte in der warmen Redaktionsstube der taz sitzend muss sich sich keine Gedanken machen, wie die nun arbeitslosen Familienväter ihre Kinder durchbringen. Hauptsache man hat sich einmal mehr gutmenschlich gezeigt und auf Mariam Blal hingewiesen. Wissen Sie was, Emilia Smechowski? Mich interessiert Mariam Blal nicht! Ich fühle mt den arbeitlosen deutschen Familienvätern, die jetzt ein richtiges Problem haben.

  • WR
    Weiße Rose

    Kann man statt der Asylsuchenden und Geduldeten nicht besser die braunen Dumpfbacken in diese Lager stecken und eine hohe Mauer drumziehen!?

    Dort drinnen könnten die Vollspacken in Ruhe spielen.

     

    Mariam und die anderen wären endlich angekommen!