Geschäftsführer über Studis im Steinzeitpark: „Öffentliche Experimente“
Studierende leben eine Woche lang im Steinzeitpark Albersdorf und probieren Techniken aus der Steinzeit aus. Zuschauer*innen sind erwünscht.
taz: Herr Kelm, Kochen wie in der Steinzeit, Bronzeguss, Keramikherstellung: Damit müssen sich Studierende der Hamburger Universität nun eine Woche lang in Dithmarschen befassen – warum?
Rüdiger Kelm: Es geht um experimentelle Archäologie, die es so erst seit gut 40 Jahren gibt. Vorher hat man sich der Ur- und Frühgeschichte theoretisch genähert, jetzt probiert man Dinge praktisch aus. Nicht immer lässt sich beweisen, wie genau die Menschen damals etwas getan haben, aber man kann zumindest sehr oft feststellen, wie es nicht ging.
Gibt es also auch Gegenstände, bei denen die Wissenschaft nicht weiß, wozu sie gedient haben?
Ja, das gibt es tatsächlich und immer wieder. Gerade bei solchen Objekten können Experimente vieles klären, beispielsweise beim Hausbau oder bei der Zubereitung von Nahrung. Bei Gegenständen, die wir gar nicht zuordnen können, die sozusagen vom heiligen Objekt bis zum Spielzeug alles sein können, bleibt es aber schwierig.
Sind die Aktionstage in dieser Woche nur Spaß für die Studierenden oder erwarten Sie auch neue Erkenntnisse?
geboren 1968 in Bremerhaven, hat Ur- und Frühgeschichte, Geografie und Biologie studiert. Seit 2007 ist er Geschäftsführer des Archäologisch-Ökologischen Zentrums Albersdorf.
Die Seminare machen auf jeden Fall Spaß. In Deutschland ist die experimentelle Archäologie ein freiwilliges Fach, anders als etwa in Skandinavien, Großbritannien oder den USA, aber der Kurs ist beliebt und immer schnell belegt. Praktisch mit den Gegenständen zu arbeiten, bringt zunächst einmal den Beteiligten selbst etwas: Wie fühlt sich Feuerstein an, wie schwer ist es, Feuer zu schlagen? Aber wer solche Sachen probiert hat, kann sie später auch vermitteln, und das ist ein wichtiger Bereich der Archäologie. Diese Vermittlung geht in unserem Steinzeitdorf in Albersdorf besonders gut.
Wieso das?
Die Studierenden haben Fragestellungen vorbereitet, zum Beispiel: Wie heiß muss ein Topf sein, damit das Essen wirklich durchkocht? In Albersdorf finden alle diese Experimente öffentlich statt, die Gäste dürfen zuschauen und mit den Studierenden ins Gespräch kommen. Für die Studierenden ist es eine doppelte Aufgabe, wissenschaftlich zu forschen und museumspädagogisch Wissen zu vermitteln. Und die Besucher*innen erhalten Informationen, die über unser normales Vorführungsprogramm hinausgehen.
Aktionswoche „Steinzeit zum Nachfragen“: Di–Sa, jeweils 11–17 Uhr, Steinzeitpark Dithmarschen, Albersdorf;
Die Studierenden werden im Steinzeitdorf wohnen. Müssen sie dabei auch leben wie in der Steinzeit oder dürfen sie Zahnbürsten und Tampons benutzen?
Sie schlafen teils in den Hütten, teils in modernen Zelten, sie dürfen Hygieneartikel verwenden und die Sanitärräume im Gebäude benutzen. Tatsächlich haben wir aber auch schon einmal ein Experiment gemacht, bei dem unsere Musemspädagog*innen, die tagsüber auf dem Gelände als Jäger oder Bäuerin unterwegs sind, freiwillig für vier Wochen sozusagen in der Steinzeit gelebt haben. Aber die Studierenden tun das nicht. Sie tragen zwar Leinenkleidung oder Felle, doch das ist mehr eine Kostümierung, keine originale Kleidung. Aber es trägt zur Atmosphäre bei und sieht auf Fotos toll aus.