Geschäfte mit natürlichen Ressourcen: Biopiraten müssen Beute teilen
Unternehmer sollen künftig zahlen, wenn sie etwa mit Heilpflanzen aus dem Dschungel Profit machen. Darauf will sich die Internationale Staatengemeinschaft offenbar einigen.
BERLIN taz | Winterspeck soll weg? Da hört sich diese Online-Werbung gut an: "Hier kriegen sie ihr Fett weg" mit Hoodia. Diese kaktusähnliche Pflanze aus dem Süden Afrikas- stachelig, unscheinbar, mit nach verwesendem Fleisch stinkenden Blüten - unterdrückt den Hunger. Die Bewohner der Kalahari-Wüste, das Volk der San, weiß das seit Jahrhunderten: Sie schieben sich während der Jagd Stücke von Hoodia in den Mund, kauen darauf herum und kommen für Stunden ohne Essen aus. Südafrikanische Wissenschaftler isolierten die Substanz P 57 und verkauften die Rechte für die weitere Entwicklung an den britischen Arzneimittelhersteller Phytopharm, der sie schließlich weiterverkaufte. Der Handel boomt so, dass Hoodia mittlerweile bedroht, der Bestand geplündert ist, sogar Mogelpackungen auf dem Markt sind.
Ein typischer Fall von Biopiraterie, die nun gestoppt werden soll - mit einem internationalen rechtsverbindlichen Abkommen. Sieben Tage lang, bis zum gestrigen Abend, haben im Kolumbianischen Cali knapp 600 Delegierte aus gut 190 Staaten um Worte, Sätze, Paragraphen in einem Papier über den "Zugang zu genetischen Ressourcen" und die "faire und ausgewogene Verteilung der Gewinne" gerungen.
Das geht zurück auf den historischen Erdgipfel 1992 in Rio. Dort beschlossen die Staaten der Erde neben der Klimakonvention auch das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD), mit dem die weltweite Zerstörung der Natur gestoppt werden soll. Jeder soll die Schätze des Planeten zwar nutzen dürfen, doch müssen jene, aus deren Heimat die profitablen Arten stammen, um Zustimmung gefragt und am Gewinn beteiligt werden. Die Idee:Wer mit Heilpflanzen. Tieren oder Mikroorganismen aus dem Dschungel Geld verdient, holzt den Urwald nicht einfach ab. Medikamente aus Pflanzen sind ein gutes Geschäft, Experten schätzen den weltweiten Umsatz im Jahr auf 70 Milliarden Euro.
Bisher bedienen sich Pharma- oder Biotechnologiekonzerne aus dem Erfahrungsschatz der lokalen Bevölkerung, sichern sich mit Patenten die alleinige Nutzung von Pflanzen oder medizinischen Wirkstoffen - zumeist ohne auch nur einen Cent zu zahlen. So erhielten die San erst als der Hooida-Fall über die Grenzen Südafrikas hinaus für Aufsehen sorgte, magere sechs Prozent der Lizenzgebühren. Es geht um viel Geld. Die Industriestaaten und Entwicklungsländer streiten auch deshalb nun schon seit knapp 20 Jahren um neue Spielregeln.
In Kolumbien seien sie jetzt "einen großen Schritt weiter gekommen", sagte Jochen Flasbarth am Sonntag der taz. Der Chef des Umweltbundesamtes war bei den Verhandlungen dabei, er leitet derzeit das Präsidium der Konvention zur biologischen Vielfalt. Erstmals liegt jetzt ein Entwurf für einen knapp 20seitigen Protokolltext vor: Wer die biologischen Ressourcen nutzen will, muss die Erlaubnis des Landes einholen. Er muss sich bereit erklären, den Profit später "fair" zu teilen. Mit einem Zertifikat soll die Herkunft einer Pflanze festgehalten und gegebenenfalls das traditionelle Wissen für ihre Nutzung offen gelegt werden. Außerdem soll das Dokument bestätigen, ob die Pflanze mit Billigung der Ureinwohner genutzt wird. Am gestrigen Abend nach Redaktionsschluss sollte der Protokollentwurf verabschiedet werden.
Die Zeit drängt. Soll das Abkommen wie geplant im Oktober auf der Weltartenschutzkonferenz in Japan zustande kommen, muss es ein halbes Jahr vorher allen Vertragsstaaten zugesandt werden, so ist das Procedere. Dabei spielt formal keine Rolle, dass das Dokument noch immer gespickt ist mit Sätzen in Klammern, also strittigen Passagen und es in Cali zwischenzeitlich so aussah, als würden die Verhandlungen abgebrochen.
Denn offen sind wichtige Fragen wie diese: Werden nur die ursprünglichen biologischen Substanzen selbst oder Weiterentwicklungen daraus beim Schutz gegen Biopiraterie mit berücksichtigt? Wann werden die Ureinwohner gehört? Wie wird sichergestellt, dass das Geld auch bei ihnen ankommt und nicht in Regierungskanälen versickert? Und wer gibt wie viel Geld für das Kontrollsystem? Bis zur großen Naturschutzkonferenz im Oktober soll es nun noch extra Verhandlungsrunden geben.
"Wir wollen einen Erfolg", sagte Flasbarth. Den fordert auch Michael Frein, der in Cali für den Evangelischen Entwicklungsdienst dabei war: "Es darf nicht sein, dass die indigenen Völker weiter tatenlos zusehen müssen, wie ihr traditionelles Wissen ausgebeutet wird."
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