Gesamtschule Göttingen und das Turbo-Abi: Ohrfeige vom Ministerium
Auch der Deutsche Hochschulpreis hat nicht geholfen: Die Gesamtschule in Göttingen bekommt keine Sondergenehmigung, um vom Turbo-Abitur abzuweichen.
Der niedersächsische Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) wird der preisgekrönten Integrierten Gesamtschule in Göttingen keine Sondergenehmigung erteilen, vom Abitur nach Klasse 12 abzuweichen. Das bestätigte Sprecher Roman Haase: "Die Vergabe der Allgemeinen Hochschulreife erfolgt auch an dieser Schule in der Regel nach 12 Schuljahren", sagte er auf taz-Anfrage.
Für die Schule bedeutet das, dass sie ihr am Freitag mit dem deutschen Schulpreis prämiertes Konzept aufgeben muss. Schulleiter Wolfgang Vogelsaenger hatte an die Verleihung die Erwartung geknüpft, die Arbeit fortsetzen zu können: "Die Politik des Ministeriums ist armselig", sagte er der taz.
Die Weigerung der schwarz-gelben Regierung in Hannover, den Göttingern eine Sondergenehmigung zu erteilen, geht einher mit der Befürchtung, dass alle Gesamtschulen zum Abitur nach Klasse 13 zurückkehren könnten. Erst 2009 wurde verfügt, dass auch Gesamtschüler in Klasse 12 die Prüfung machen müssen. Gegen das Turbo-Abi an Gymnasien und Gesamtschulen haben in Niedersachsen bislang 240.000 Menschen ein Volksbegehren unterschrieben.
Die Göttinger Integrierte Gesamtschule gehört zu einer Handvoll Schulen, die von der Kultusministerkonferenz eine Ausnahmegenehmigung haben, Schüler bis zur 10. Klasse gemeinsam zu unterrichten. Ein Abitur in Klasse 12 würde nun bedeuten, dass in der 9. Klasse gesiebt wird und die Abiturienten separate Kurse belegen. Dabei war gerade die Teamarbeit in gemischten Tischgruppen ein Argument für die Schulpreisjury der Robert-Bosch-Stiftung, der Schule in diesem Jahr den Hauptpreis zuzusprechen.
McAllister setzt auf Oberschule
Bundespräsident Christian Wulff (CDU), der den Preis überreichte, betonte in seiner Laudatio, es sei wichtig, dass exzellente Unterrichtskonzepte wie die der Preisträger Schule machten.
Nun legte aber nicht nur Wulff seinerzeit als niedersächsischer Ministerpräsident Gesamtschulen Steine in den Weg, auch sein Nachfolger David McAllister (CDU) erschwert deren Gründung. Er setzt stattdessen auf die Oberschule, in der Regel eine zusammengefasste Haupt- und Realschule ohne gymnasiale Oberstufe.
Die Opposition im Landtag, die im März gegen die Oberschule stimmte, will das Thema Gesamtschulen nun noch einmal parlamentarisch aufrollen. "Es wäre ein Hohn, wenn Bundespräsident Wulff eine Integrierte Gesamtschule auszeichnet, die Regierung sie aber gleichzeitig zwingt, das Abitur nach 12 Jahren einzuführen", sagte der Fraktionschef der niedersächsischen Grünen, Stefan Wenzel. Niedersachsen müsse sich bewegen.
#Auch die SPD will Druck machen. Am Freitag wird sich Kultusminister Althusmann zunächst vor Gesamtschulfans erklären müssen. Er spricht auf der Festveranstaltung "40 Jahre Gesamtschule in Niedersachsen".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt